Golan: Um Österreicher wird es einsam

BM KLUG BESUCH UNDOPF TRUPPE AUF DEM GOLAN
BM KLUG BESUCH UNDOPF TRUPPE AUF DEM GOLANAPA/BUNDESHEER/GUNTER PUSCH
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Philippinen wollen ihre Soldaten abziehen. Österreichs Blauhelme halten die Stellung. Aber wie lange noch?

Wien. Die 381 österreichischen UN-Soldaten könnten bald ziemlich allein dastehen auf den Golanhöhen. Denn die Philippinen, die mit 342 Mann das zweitgrößte Kontingent in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien stellen, spielen mit dem Gedanken, sich aus dem Staub zu machen. Albert del Rosario, Außenminister der Regierung in Manila, empfahl am Freitag dem Staatsoberhaupt seines Landes öffentlich, die philippinischen Blauhelme abzuziehen. Die endgültige Entscheidung liege bei Präsident Benigno Aquino. „Sobald er grünes Licht gibt, werden wir uns so schnell wie möglich zurückziehen“, sagte der philippinische Chefdiplomat.

Normalerweise sei eine Vorwarnzeit von 90 Tagen üblich, bevor ein Staat sein Engagement bei einer UN-Mission beende. Doch angesichts der Gefahr, der philippinische Soldaten ausgesetzt seien, werde er das UN-Hauptquartier um ein beschleunigtes Verfahren bitten, erklärte der Außenminister.

In Manila liegen die Nerven blank. Seit Dienstag halten syrische Rebellen, die sich „Yarmuk-Märtyrer“ nennen, drei Filipinos auf den Golanhöhen als Geiseln, als „Schutzschilde“, um sich aus dem Zangengriff der syrischen Armee zu befreien, wie es del Rosario ausdrückt. Es ist nicht der erste Entführungsfall auf dem Golan. Schon im März hat die Yarmuk-Brigade 21 philippinische Blauhelme für vier Tage gefangen genommen.

Vor einem Jahr hat der syrische Bürgerkrieg auch das Grenzgebiet zu Israel erreicht, das eigentlich entmilitarisiert sein sollte. Seither liefern sich Rebellen und syrische Armee Gefechte unmittelbar vor UN-Soldaten. Die seit 1974 bestehende und rund 1110 Blauhelme umfassende Golan-Mission droht daran zu zerbrechen. Ein Staat nach dem anderen hat zuletzt seine Soldaten abgezogen. Erst beorderten die Japaner und die Kanadier ihre zahlenmäßig unbedeutenden Kontingente zurück. Kritisch wurde es dann, als die 97 kroatischen Soldaten absalutierten. Es blieben im Wesentlichen 190 Inder, die Österreicher – und die Filipinos.

Ein überstürzter Abmarsch der Filipinos könnte dem UN-Einsatz den Todesstoß versetzen. Denn wer sollte die Lücke füllen? Es war schon schwer genug, Ersatz für die Kroaten zu finden. Erst nach wochenlangem Zögern entschied sich das UN-Hauptquartier, das Angebot der Militärherrscher von den Fidschi-Inseln anzunehmen. Eingerückt auf den Golanhöhen sind die Soldaten aus dem Südpazifik bis heute noch nicht. Nach außen hin versucht die österreichische Bundesregierung, Ruhe zu bewahren. Die Philippinen hätten noch keine Entscheidung gefällt, sagte Verteidigungsminister Klug zur „Presse“. Hinter den Kulissen glühen aber die Drähte. Das Außenamt bombardierte Manila und das UN-Hauptquartier mit einer Salve von Fragen: Werden die Filipinos wirklich abziehen? Wenn ja, wann? Ist die UNO imstande, Ersatz zu organisieren? Können die Fidschis ihr Kontingent aufstocken?

Österreich wird nicht aufstocken

Ein Rückzug der Filipinos wäre ein Game-Changer, könnte die Lage also komplett verändern, sagte ein österreichischer Diplomat zur „Presse“. Möglicherweise komme Hervé Ladsous, der für Friedensoperationen zuständige UN-Untergeneralsekretär, zu dem Schluss, dass sich die Mission nicht aufrechterhalten lasse. Österreich werde so lange wie möglich die Stellung halten. Auszuschließen sei jedoch, dass Österreicher die Aufgaben der Filipinos im gefährlichen Südabschnitt der Golan-Pufferzone übernähmen. Das Bundesheer sei am Limit, weil es für die Kroaten einspringe, heißt es im Außenamt.

Es kommt ein unberechenbarer Faktor hinzu: Die Golan-Frage könnte im Wahljahr schnell zum innenpolitischen Thema werden. Und wie reagierte die Regierung, würde ein österreichischer Soldat entführt oder gar getötet?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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