„Der ganze Himmel über der Erde“ wirkt am Ende erschöpft

„Der ganze Himmel über der Erde“ wirkt am Ende erschöpft
„Der ganze Himmel über der Erde“ wirkt am Ende erschöpftWiener Festwochen
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Die Spanierin Angélica Liddell enttäuscht trotz exzessiven Körpereinsatzes mit ihrer Uraufführung bei den Wiener Festwochen.

Auf der Bühne der Halle G im Museumsquartier hängen drei ausgestopfte Krokodile herab, auf einem mit Nadelgehölz bepflanzten Erdhügel liegt der skelettierte Kopf eines Alligators. Dieses Setting gehört zum Ausdrucksstärksten beim Auftragswerk von Angélica Liddell aus Madrid, das am Donnerstag bei den Wiener Festwochen noch vor deren offizieller Eröffnung uraufgeführt wurde. Hier wird zugebissen.

Liddell betritt die Bühne, in hellem Kleid, mit silbern glitzerndem Höschen. Es zuckt provokant, als die Frau masturbierend auf dem Erdhügel liegt, eine Art Gaia, die aber am Ende die Fruchtbarkeit und die Anerkennung der Mütter vehement fluchend ablehnen wird. Symbolisch werden später auch einige Mitspieler mit Erde beschmiert. Zuvor aber flieht die Depressive nach Shanghai, trifft dort Hotelangestellte zum Verkehr und auch Tänzer, um im Finale zum furiosen Endlosmonolog gegen die Welt anzusetzen, der sich, sie und so manche im Publikum erschöpft.

Ein alter Walzertraum aus Shanghai

Zehn nette Walzer des Komponisten Cho Young Wuk für Straßenartisten aus Shanghai, die das elegante österreichische Ensemble Phace begleitet, sind eine Art Kontrapunkt in diesem Triptychon über die Vergänglichkeit der Liebe. Aber weder die Musik noch die schonungslose Darstellung narzisstischer Störungen einer Frau mittleren Alters kann die zweieinhalb Stunden dauerhaft sinnvoll füllen. Bis auf einige eindringliche Sequenzen des Schreckens in permanenter symbolischer Entblößung bleibt „Todo el cielo sobre la tierra (El síndrome de Wendy)“ über weite Strecken monoton, und dabei hat sich die Künstlerin doch so sehr bemüht, unter großem Körper- und Sprecheinsatz zu provozieren.

Worum geht es bei „Der ganze Himmel über der Erde (Das Wendy-Syndrom)“? Um Gewalt in diversen soziopolitischen Ausformungen. Um Peter Pan, den Mann, der nicht erwachsen werden will, der sich hier als Massenmörder Anders Behring Breivik manifestiert, als ausgewachsener Psychopath. Pans Insel ist zugleich das norwegische Utøya, wo vor zwei Jahren 69Jugendliche ermordet wurden. Der Zeitgeist wirkt so aufgesetzt wie die bemutternde, depressive Gefährtin Wendy mit ihrem Hang zu Knaben und (zumindest verbal) bizarren Sexpraktiken – eine ganz gewöhnliche Festwochen-Aufgeblasenheit also.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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