Die Einfallslosigkeit von Reiseführerautoren

Einfallslosigkeit Reisefuehrerautoren
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Am Anfang war das Wort, am Ende die Phrase.

Am Anfang war das Wort, am Ende die Phrase. Doch hat genau dieses Eingeständnis der Einfallslosigkeit viele Bereiche unseres Lebens fest im Griff. Nicht nur im deutschen Schlager, bei dem die unheilige Endreim-Allianz aus Herz und Schmerz in einer Möbiusschleife über den Äther gejagt wird, sondern auch in der englischsprachigen Populärkultur, wo Fire und Desire regelmäßig ihre gute Nachbarschaft begießen. Doch auch die nicht musikalisch schreibende Kaste – um nicht Zunft zu sagen, was ja auch wieder nur eine totgelutschte Formulierung wäre – bedient sich allzu oft dieses Falschgelds der Kommunikation. Wie oft noch muss ein ambivalentes Phänomen mit der Frage „Lust oder Frust“ oder – ohne Reim – „Fluch oder Segen“ betitelt werden? Will man schon Sprüche klopfen, sollte man dafür doch, bitte schön, wenigstens gutes Werkzeug verwenden. Abgesehen davon sind Formulierungen wie „ein Mensch mittleren Alters“ derart dünn, dass der Informationswert gleich dem sprachlichen Vergnügen am liebsten unter dem Bett verschwinden und heulen würde.

Nun ist schon klar, dass unter Zeitdruck gern auf Elemente aus dem Sprachbaukasten zurückgegriffen wird, doch manche Bausteine sind derart abgegriffen, dass sie keine Kanten mehr haben und die Beschriftung nur noch hinter fettiger Patina durchscheint. In Reiseführern begegnet man etwa durchwegs der Formulierung: „Land der Gegensätze“. Selbstverständlich gibt es die, doch was ist das Alleinstellungsmerkmal für ein bestimmtes Land? Natürlich ist die Wüste Nevadas anders als die weitläufigen Wälder von, sagen wir, Illinois. Natürlich gibt es einen Gegensatz zwischen der pulsierenden Metropole (ups!) Moskau und der sibirischen Steppe. Ja, selbst im Vatikan ließen sich wohl zwei Gegenpole finden, die man dann so taxieren könnte. Fällt uns denn nichts anderes ein, um ein Land zu beschreiben? Hugh, ich habe gesprochen!

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2013)

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