Wien: Mafiaverfahren um „Rotlichtkönig“

Mafiaverfahren um „Rotlichtkönig“
Mafiaverfahren um „Rotlichtkönig“(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Als Mitglieder einer kriminellen Organisation müssen sich sechs frühere Exponenten der Rotlichtlokalszene vor Gericht verantworten. Die Verteidigung übt herbe Kritik an den Behörden.

Wien. Sie sollen eine kriminelle Organisation gebildet und von Betreibern diverser Rotlichtlokale Schutzgelder eingetrieben haben. Sechs Mann, allen voran der 42-jährige Geschäftsmann Richard Steiner, sitzen seit Montag im Grauen Haus auf der Anklagebank.
Bis zu 15 Jahre zurückliegende Vorwürfe wurden von einer Sonderkommission ermittelt. Und – teils vage gehalten – in die Anklageschrift übernommen. Die Verteidigung stellt bereits Parallelen zum Wiener Neustädter Tierschützerprozess her, bei dem zum Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§ 278a Strafgesetzbuch, „Mafiaparagraf“) durchwegs Freisprüche erfolgten.

Die Anklage in Grundzügen: Richard Steiner – der einst als „Rotlicht-“ oder „Gürtelkönig“ bezeichnete Kroate versucht sich mittlerweile als Vertreter einer neuen Wodka-Marke – soll der Kopf jener Bande gewesen sein, die Einkünfte aus Schutzgelderpressungen bezog. Ein Großer Lauschangriff auf sein Büro im früheren Wiener Gürtellokal „Pour Platin“ gilt als Angelpunkt für die Staatsanwaltschaft, die ihm auch schwere Erpressung, schwere Nötigung, versuchte absichtlich schwere Körperverletzung, Freiheitsentziehung, schwere Sachbeschädigung und betrügerische Krida vorwirft.

Steiner vertraut dem Richter

In Interviews am Rande des Prozesses tut Steiner nun seine Hoffnung auf eine faire Verhandlung kund. Im Gerichtssaal bekennt er sich im Wesentlichen „nicht schuldig“. Nur bei der Krida gibt er ein bisschen zu. Wie schmerzvoll die Abhörprotokolle der Polizei für ihn noch werden, wird das für beachtliche 43 Verhandlungstage anberaumte Großverfahren (Vorsitz im Schöffensenat: Richter Stefan Erdei) erst zeigen.

Die Verteidigung übt scharfe Kritik an den Behörden. Das Bundeskriminalamt habe mögliche Zeugen nach der Devise „Wir wollen den Steiner“ unter Druck gesetzt und somit „ein Mindestmaß an Objektivität“ vermissen lassen. Auch die Anklage (im Gerichtssaal vertreten durch Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella) habe „nur ein offenes Ohr für belastende Aussagen“ gehabt. Schon im Mai 2008, also vor fünf Jahren, hatten die Ermittlungen begonnen. Steiners Anwalt Christian Werner spricht von einem „irren Aufwand“, der von der Polizei betrieben worden sei. Trotzdem ist in der Anklageschrift von „noch festzustellenden“ Tatzeiten die Rede.

Zudem ergibt sich (auch) in diesem Verfahren – außer Steiner sind fünf weitere Männer, darunter der hünenhafte, einst szenebekannte Peter A. (45) angeklagt – eine derzeit heiß diskutierte Problematik: Um die Krida-Vorwürfe erhärten zu können, wurde der Wirtschaftsprüfer Gerhard Altenberger als Gutachter beauftragt. Von der Staatsanwaltschaft, wie gesetzlich vorgesehen. Dieser Mechanismus wird derzeit in vielen Verfahren bekämpft. Meist stellt die Verteidigung einen Antrag auf Ablehnung des Gutachters wegen Befangenheit. Ein ebensolcher Antrag wurde nun von den Anwälten bereits angekündigt. Begründung: Nicht ein unabhängiger Richter, sondern ein Anklagevertreter habe das Gutachten eingeholt.

Fortsetzung: Dienstag

Ob nun tatsächlich schlampig ermittelt wurde, wird das äußerst ausführlich angelegte Verfahren zeigen. Anhaltspunkte dafür gibt es. Etwa den Umstand, dass im Vorverfahren ein fragwürdiger Vorwurf erhoben worden war: Einer der Angeklagten wurde einer Gewalttat bezichtigt, die er kaum begangen haben konnte, hatte er doch das perfekte Alibi: Der Mann saß zur Tatzeit im Gefängnis.

Wie sich nun Steiner zu den Vorwürfen äußert, klingt ein bisschen nach Understatement: „Ich war immer gegen Gewalt.“ Die „Mafiavorwürfe“ quittiert er so: „Das sind Science-Fiction-Geschichten.“ Am Dienstag, wird die Verhandlung fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)

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