Roland Düringer: "Es gibt zu viel Erziehung"

Dueringer gibt viel Erziehung
Dueringer gibt viel Erziehung(c) Die Presse (Bernadette Bayerhammer)
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Roland Düringer hat mit den Philosphen Rahim Taghizadegan und Eugen Maria Schulak ein Buch über Erziehung geschrieben - oder gesprochen. Im Gespräch mit DiePresse.com erzählt er von Selbsterziehung und Neandertalern.

DiePresse.com: Herr Düringer, hat ihr Wandel zum Quasi-Aussteiger ihre Erziehungsvorstellungen verändert?

Roland Düringer: Nein, ich habe eigentlich nie Erziehungsvorstellungen im Kopf gehabt. Ich habe auch keine Bücher über Erziehung gelesen, als klar wurde, dass ich Vater werde. Meine Eltern haben damals ein Magazin abonniert, damit sie wissen, wie sie mit mir umgehen müssen. Da habe ich gewusst: Das brauch ich später nicht.

Rahim Taghizadegan: Der Eindruck in der Öffentlichkeit ist, dass Roland Düringer einen unglaublichen Wandel vom Benzinbruder zum Aussteiger gemacht hat – aber da wird er mit seinen Rollen verwechselt.

Düringer:
Das war ein langsamer Prozess, zuerst ein Selbstversuch, den ich mittlerweile beendet habe. Es ist jetzt kein Versuch mehr, sondern mein Leben. Aber ich verwende nur andere Werkzeuge, mein Wesen hat sich ja nicht verändert.

Beim Thema Erziehung und Bildung hat man den Eindruck, jeder fühlt sich als Experte, weil er selbst erzogen wurde. Was hat Sie Drei dazu veranlasst, ein Buch zu schreiben?

Düringer: Also bei mir war's der Verlag (alle lachen).

Taghizadegan:
Um das ehrlich zu beantworten: Wir haben uns über viele Themen unterhalten und sind immer wieder auf Bildung und Erziehung zu sprechen gekommen. Erziehung ist ein grundlegendes Thema, das früh in der Entwicklung des Menschen ansetzt, damit hat es auch eine gewisse philosophische Plausibilität, dass wir das als eines der ersten behandeln. Unsere Gespräche haben ja in einer Reihe stattgefunden, die die philosophische Küche genannt wird. Wir haben über viele Themen miteinander geredet, auch gekocht und gegessen.

Eugen Maria Schulak, Roland Düringer und Rahim Taghizadegan (von links nach rechts)
Eugen Maria Schulak, Roland Düringer und Rahim Taghizadegan (von links nach rechts)(c) Die Presse (Bernadette Bayerhammer)

Zu den Autoren

Der Kabarettist und Schauspieler Roland Düringer verzichtet seit Ende 2012 so weit wie möglich auf viele Annehmlichkeiten des modernen Lebens wie Mobiltelefon, Fernsehen und Auto. Düringer ist verheiratet und Vater einer dreizehnjährigen Tochter. Eugen Maria Schulak ist Philosoph und hat die Philosophische Praxis in Wien gegründet, wo „normale Bürger“ an der Philosophie teilhaben und mit dem Philosophen ins Gespräch kommen können. Daneben ist er Vorstand des Instituts für Wertewirtschaft. Rahim Taghizadegan ist Wirtschaftsphilosoph und Gründer des Instituts für Wertewirtschaft, das sich der Erkenntnissuche und Wissensvermittlung widmet.

Was ist es denn, das Sie drei Neues, Spannendes zu dieser Debatte beitragen können?

Düringer:
Ich sehe es nicht so, dass es in dem Buch darum geht, dass wir irgendein neues Rezept für Erziehung haben. Es geht auch nicht um Bildung...

... aber am Cover sitzen Sie in einer Schulbank.

Düringer:
Da müssen Sie den Verlag fragen, warum wir wie die Deppen in der Schulbank sitzen (lacht). Es scheint, als würden wir nun wissen, wie man Kinder zu erziehen hat. Es geht natürlich im Buch auch um Kinder, weil Erziehung und Kinder immer im Zusammenhang stehen, aber es geht auch um die Erziehung von Erwachsenen. Dass wir die ganze Zeit erzogen werden: Sogar von einem Auto, das piepst, wenn wir uns nicht anschnallen.

Auch wenn das Buch kein Beitrag zur Bildungsdebatte ist: Was ist das Besondere, das Sie vermitteln wollen?

Taghizadegan:
Dass wir uns als Philosophen mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Auch wenn der Roland sagt, dass er kein Philosoph ist, aus meiner Sicht ist er das wohl. Das Thema Erziehung ist überlagert von Rezepten und Ideologien, es passiert relativ selten, dass ohne Begehrlichkeiten und ohne dass man einen Masterplan im Kopf hat über das Thema reflektiert wird, wie das Philosophen immer gemacht haben. Deshalb hat das Buch auch einen philosophischen Titel: Über die Erziehung. Es sind Gespräche über die Erziehung, die versuchen, den Druck ein bisschen rauszunehmen. Die Erziehungsprobleme scheinen ja zuzunehmen und Eltern fürchten, ihren Erziehungsaufgaben nicht gerecht zu werden. Der wesentliche Beitrag, den wir da leisten, ist, ganz unaufgeregt und im Sinne der philosphischen Tradition diese Bereich zu diskutieren.

Ganz unaufgeregt finde ich das Buch nicht. Im Buch steht, Erziehung sei eine Foltermethode. Heißt das, man soll lieber darauf verzichten?

Eugen Maria Schulak:
Verzichten wohl nicht. Aber wir sind zur Einsicht gekommen, dass Erziehung nicht funktioniert, indem man jemanden irgendwo hinzieht, ihn hinbiegt, sondern indem man Dinge vorlebt. Erziehung ist unter Umständen etwas viel Einfacheres, als man glaubt. Heute hat man es schwer, weil die Kinder vom Fernseher erzogen werden und von dem, was sie auf der Straße sehen – der Einfluss der Eltern ist gering. Es gibt sehr viele Stimmen, die auf die Kinder einbrüllen.

Düringer: Nicht nur auf die Kinder, auch auf die Erwachsenen. Allein wie viele Schilder auf der Straße uns sagen, was wir tun sollen: Verkehrsschilder oder Kaufaufforderungen - das ist auch eine Form der Erziehung.

Heißt das, früher war Erziehung besser?

Düringer:
Nein. Es geht nicht um besser oder schlechter. Aber man muss, wenn man Erziehung sagt, unterscheiden zwischen Bildung, Ausbildung, Abrichten, Erziehen – das sind unterschiedliche Dinge. Wenn wir Erziehung hören, haben wir sofort Kinder im Kopf, denen beigebracht wird, sich richtig zu benehmen. Kinder glauben, wenn sie erwachsen sind, ist das vorbei. Das ist es aber nicht, es geht weiter, aber unterschwellig. Ob Erziehung früher besser war, könnte ich gar nicht beantworten, weil ich sie erst seit 1963 kenne.

Sie bringen aber im Buch Neandertaler-Beispiele.


Das sind Teile aus einem Kabarett-Programm. Das haben wir ins Buch mit reingenommen.

Beim Lesen entsteht der Eindruck, als ob es der Neandertaler ohne Erziehung ganz gut gehabt hätte.

Taghizadegan:
Das ist keine Romantisierung des Neandertalers. Erziehung war früher einfacher, da stellten sich viele Fragen gar nicht. Das hat aber nichts mit besser oder schlechter zu tun. Man kann daraus vielleicht lernen, dass es nicht so viel braucht um zu erziehen.

Das „zu viel“ kommt ja öfter im Buch. Sie sagen, Herr Düringer, dass wir dadurch feiger und dümmer werden.

Düringer:
Ich glaube, das „zu viel“ ist ein ganz spezielles Thema unserer Zeit – und nicht nur bei der Erziehung. Wir haben von allem zu viel: Zu viele Möglichkeiten, was man aus seinem Leben machen kann, zu viele Ausbildungen, zu viele Ratgeber, zu viele Arten, auf die man seine Kinder erziehen könnte.

Taghizadegan: Es gibt den Glauben, dass man durch mehr Erziehung Fehler an den Kindern beheben, sie reparieren könnte. Dabei gibt es dieses gewalttätig Formende. Aber worauf kommt es an? Das Essentielle war für die Spanne zwischen Loslassen und die liebevolle Schutzengelfunktion.

Schulak:
Wenn mehr Erziehung die Sache verbessern würde, dann wäre sie ja besser. Es gibt ja laufend mehr Erziehung.

Glauben Sie wirklich, dass es mehr Erziehung gibt?

Düringer:
Ja, nur die kommt jetzt ganz anders daher. Da kommt immer mehr von den Bildschirmen.

Aber es sind doch nicht gleich alle äußeren Einflüsse Erziehung.

Düringer:
Sicher. Wenn du etwas in dich hineinlässt, sich daraus dein Denken und Handeln entwickelt, dann hat es das gemacht, was Erziehung auch macht.

Schulak:
Ein einfaches Beispiel: Sämtliche Jugendliche fürchten sich vor der Klimakatastrophe. Keiner kennt sich aus, aber das geht so rein, dass sie sehr, sehr stark erzogen sind. Bis zur Zukunftsangst.

Viele würden das eher als Prägung verstehen.

Taghizadegan:
Aber es ist eine falsche Vorstellung, dass man rein über die Vorschriften, die man dem Kind macht, erzieht. Wie wir miteinander umgehen und welche Vorbildwirkung wir haben, ist viel wichtiges als das, was wir als Regeln aufstellen.

Düringer:
Was unser Buch von den anderen Büchern, bei denen auch Erziehung im Titel oben steht, unterscheidet, ist, dass wir einfach eine andere Sprache haben – nämlich so, wie wir jetzt reden. Weil die Gespräche aufgenommen, abgetippt und mit weniger Korrekturen gedruckt wurden. Es ist das, was es ist: ein Gespräch über Erziehung. Dass da Sachen drinstehen, die vielleicht nicht einmal unbedingt stimmen müssen, ist durchaus möglich. Der Leser hört einfach bei den Gesprächen zu.

Selbst, wenn es letztendlich ironisch klingt, wenn man über den Neandertaler spricht – wo wir doch keine Ahnung haben, ob der Neandertaler erzogen hat oder nicht – muss man schon bereden, dass der Mensch 99,9 Prozent seiner Zeit in der Steinzeit gelebt hat. Das Leben hat auch ohne Erziehungs- und Schulsystem funktioniert.

Aber es war wohl ein bisschen härter.

Düringer:
Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es den Menschen im finsteren Mittelalter auch nicht so schlecht gegangen, vielleicht haben sie mehr Freiheiten gehabt. Vielleicht haben Kinder mehr im Freien gespielt und mehr Bezug zu Tieren gehabt, sind an einem kalten Tag schwimmen gegangen – alles, was Kinder heute nicht mehr dürfen. Heute gehen Kinder in temperiertes Chlorwasser, haben Hautausschläge und Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Angst vor allem, Angst vor dem Leben.

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