Mali: „Die Jihadisten wurden zum Ersatz für den Staat“

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Mali(c) REUTERS (JOE PENNEY)
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Wie einander organisierte Kriminalität und bewaffnete Konflikte nähren, zeigt sich exemplarisch an der Drogenökonomie im Sahel. Eine Konferenz des International Peace Institute in Wien ging dem fatalen Zusammenhang nach.

Wien/Brüssel. Es waren wieder einmal hehre Worte: „Es geht darum, den Maliern zu helfen, ein neues Mali aufzubauen“, sagte Frankreichs Außenminister, Laurent Fabius, bei einer Geberkonferenz am Mittwoch in Brüssel, bei der Österreich übrigens weitere 700.000 Euro zusagte. In diesem neuen Mali soll im Windschatten der französischen Militärintervention, bei der zu Jahresbeginn die Jihadisten erfolgreich zurückgedrängt werden konnten, so rasch es geht, gewählt werden; der Juli ist angepeilt. So wünscht man es sich vor allem auch im Westen.

Kenner der Lage meinen allerdings, dass das viel zu früh sei: Das bringe nur wieder jene nach oben, die die nötigen Ressourcen dazu hätten. Und diese Ressourcen stammen großteils aus (Drogen-)Schmuggel. Dies war der Tenor auf einer Konferenz, die das International Peace Institute (IPI) am Dienstag und Mittwoch in Wien veranstaltete und die sich dem gefährlichen Nexus zwischen „Verbrechen, Konflikt und Terrorismus in scheiternden Staaten“ widmete.

Und Mali, beziehungsweise der ganze Sahel, kann hier als exemplarisch gelten. „Schwache Staaten, die – mal absichtlich, mal unabsichtlich – Teile der Bevölkerung marginalisieren, was der organisierten Kriminalität und den Jihadisten erst Möglichkeiten eröffnet hat“, bringt es Yahia Zoubir, der in Marseille Internationale Beziehungen lehrt, im Gespräch mit der „Presse“ auf den Punkt.

Schutzgeld für Drogentransporte

Organisierte Kriminalität, das heißt im Sahel vor allem Drogen. Sie kommen aus Südamerika und landen in einem anderen schwachen westafrikanischen Staat, in Guinea-Bissau: Von dort geht es weiter, meist durch den Sahel an die Mittelmeerküste, denn in Europa wartet Kundschaft. Die Jihadisten mischen zwar aus religiösen Gründen nicht selbst im Drogenhandel mit, aber sie „beschützen“ die Transporte, sprich erpressen Schutzgeld: „Und dieses Geld verteilen sie dann teilweise an die Bevölkerung. Die Jihadis wurden in Mali geradezu zu einem Ersatz für den Staat“, meint Zoubir, ein Punkt, auf den viele der in Wien versammelten Experten hinwiesen: Auch kriminelle Organisationen, auch Terroristen brauchen eine gewisse Basis in der Bevölkerung, also muss man dieser Bevölkerung etwas bieten.

40 Prozent des Drogengeldes bleiben in der Region, weiß ein anderer Experte, der wegen der Regeln der Konferenz nicht namentlich zitiert werden darf. Man könne kaum eine lokale Machtposition erlangen, wenn man nicht in den Schmuggel involviert sei – seien es nun Zigaretten oder Drogen, seien es Menschen: „Dann hast du Geld und kannst dir Leute kaufen, die für dich arbeiten, auch mit der Waffe.“ Im Übrigen wurde den Schmugglern durch die französische Intervention nicht das Handwerk gelegt: „Sie sind nur auf andere Routen ausgewichen.“

Ein Problem in schwachen Staaten: Diejenigen, die die organisierte Kriminalität bekämpfen sollen, stecken oft selbst mit drin. „In Mali profitierten offensichtlich auch Offiziere vom Drogenhandel“, sagt Sahel-Fachmann Zoubir.

Teufelskreis mit Gotteskriegern

Ein Thema, das auch die Militärausbildner der EU in Mali interessieren sollte, denn ohne ein Zurückdrängen der Drogenökonomie wird eine Stabilisierung der Region nicht gelingen, ein Durchbrechen des Teufelskreises aus Konflikten, die den Boden für organisierte Kriminalität bereiten, die wiederum die Konflikte von Neuem nährt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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