Amtliche Dokumente beweisen, dass das IRS mehr als zwei Jahre lang konservative Gruppen schikanierte, während sie liberale Organisationen förderte.
Washington. Der Skandal um gezielte Schikanen der US-Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) gegen regierungskritische konservative Gruppen ist jetzt ein Fall für die Polizei. Das FBI ermittelt auf Anweisung von Justizminister Eric Holder wegen möglicher Verstöße gegen die Bürgerrechte, die Beschneidung der Meinungsfreiheit und die Beschränkungen für Regierungsbeamte, sich parteipolitisch zu betätigen.
Eine hausinterne Revision der US-Finanz ergab, dass seit dem Jahr 2010 Anträge von konservativen politischen Organisationen (allen voran jene der Tea-Party-Bewegung) auf Steuerbefreiung im Durchschnitt 27 Monate lang unbearbeitet liegen blieben. Gleichzeitig erteilte die Behörde zahlreichen liberalen und linken Gruppen binnen Drei-Monats-Frist dieses Steuerprivileg. Wer „Tea Party“ oder „Patriot“ im Namen seiner Organisation trug, hatte Pech; die Schlüsselwörter „Progress“ oder „Progressive“ hingegen brachten den gewünschten Status als steuerbefreite Organisation gemäß Kapitel 501 (c)(4) des Steuergesetzbuches, ergab eine Datenanalyse der Zeitung „USA Today“.
Flut an schikanösen Fragen
Darüber hinaus verlangten die IRS-Beamten der Zweigstelle in Cincinnati (Ohio) von den konservativen Antragstellern derart umfassende Auskünfte über ihre Tätigkeit, dass auch liberale Beobachter von mutwilligen Schikanen sprechen. Der Nachrichtendienst „The Hill“ veröffentlichte zum Beispiel ein amtliches Schreiben vom 1. März 2011, adressiert an die Tea-Party-Gruppe im Städtchen Liberty Township, Ohio. „Legen Sie Details über all Ihre Aktivitäten auf Facebook und Twitter vor“, ist da unter anderem zu lesen. „Geben Sie eine Liste aller vergangenen Aktivitäten an“, verlangt die Finanz in der Liste von 35 Fragen mit je mehreren Punkten, aber auch: „Geben Sie eine Liste aller künftig geplanten Aktivitäten an.“
Im Umstand, dass Justizminister Holder die Untersuchung dieser Vorgänge angeordnet hat, liegt eine gewisse Ironie. Holder ist nämlich selbst unter schwerem Beschuss der Medien, nachdem zu Wochenbeginn bekannt geworden ist, dass seine Behörde die Verbindungsprotokolle der Telefone von rund 100 Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hat beschlagnahmen lassen. Präsident Barack Obama lässt seither wiederholt von seinem Sprecher ausrichten, er habe von dieser Bespitzelung selbst nur aus den Medien erfahren. Das setzt ihn der doppelten Kritik aus, dass er entweder lügt oder seine Regierung nicht im Griff hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)