Ein Wahlabend ohne große Sieger

Ein Wahlabend ohne große Sieger
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Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft konnte sich trotz Verlusten den Sieg sichern. Unabhängige Fraktionen werden immer beliebter.

Wien. Die ÖH-Wahl ist geschlagen. Strahlende Sieger gab es dabei aber keine. Einmal jubelten die Fachschaftslisten (FLÖ) über den unerwarteten Sieg an der Medizin-Uni Wien, einmal waren es die roten Studierenden des VSStÖ, die sich über den ersten Platz an der Universität Wien freuten. So richtig feiern konnte schließlich niemand. Das war definitiv klar, als Freitagmittag mit großer Verspätung das endgültige Ergebnis feststand (siehe Grafik).

Stimmenstärkste Fraktion blieb die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), gefolgt von den Fachschaftslisten, die in Mandaten am stärksten zulegten. Den dritten Platz sicherte sich der roten VSStÖ, knapp vor der Gras (Grüne und Alternative StudentInnen). Wer als wahrer Gewinner hervorgeht, das werden erst die Koalitionsverhandlungen entscheiden. Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen ziehen?

1 Sieg ohne Glanz: ÖVP-Studenten bleiben dem Muster der Partei treu

Ausgerechnet die ÖVP-nahen Studierenden heizen die Diskussionen rund um das „Jahr der ÖVP“ weiter an. Das Ergebnis erinnert an die eine oder andere Landtagswahl: Sieg erreicht – aber mit Verlusten. Es gab also nur bedingt Grund zur Freude. Der Wahlabend begann mit einem dramatischen Verlust an der Med-Uni Wien. Das Minus von rund 36 Prozentpunkten hatten die Funktionäre auch zu später Stunde noch nicht verdaut. Jubelschreie oder gar Sprechchöre waren bei den ÖVP-nahen Studenten nicht zu hören. Ihre Strategie ist nicht wie erhofft aufgegangen. Eigentlich wollte sie mit dem Image als „Sauber-Fraktion“ punkten und aus dem Skandal rund um das Studibeisl Café Rosa – in dem mindestens eine halbe Million Euro versickert ist – Profit schlagen. Die Studierenden haben die dafür Verantwortlichen – VSStÖ, Gras und die Kommunisten – aber weniger hart bestraft als allgemein erwartet.

2 Die roten Studierenden hielten sich bei den Grünen schadlos

Aufatmen konnten die Funktionäre des roten VSStÖ erst, als die Ergebnisse der Uni Wien bekannt wurden. Sie eroberten dort den ersten Platz. Damit stand fest: Die Verfehlungen rund um das Café Rosa wurden vor allem der Gras und nicht dem VSStÖ angelastet. Für die Gras war es wohl von großem Nachteil, dass der Skandal in der Öffentlichkeit mit einem Gesicht verbunden wurde: Mit jenem von Janine Wulz, die für die Gras an der Spitze der HochschülerInnenschaft stand. Mit der Veröffentlichung des Endergebnisses am Freitag stand fest, dass die gewohnten Machtverhältnisse im linken Spektrum auf den Kopf gestellt wurden. Nun sind es nicht mehr die grünen Studierenden, die dort den Ton angeben, sondern der rote VSStÖ.

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3 Wer parteipolitisch unabhängig ist, der punktet

Die Studierenden haben bei dieser Wahl gezeigt: Unabhängigkeit wird geschätzt. Während die parteinahen Fraktionen (AG, VSStÖ, Gras und RFS) allesamt Verluste einfuhren, konnten sich die unabhängigen Fachschaftslisten über Zugewinne freuen. An der Med-Uni erlangte sie bei ihrem ersten Antreten aus dem Stand 41,3 Prozent. Die FLÖ bleibt zweitstärkste Fraktion und rückt, was die Mandatsstärke betrifft, an die AG heran. Dass die Studierenden gerne parteiunabhängige Vertreter haben, zeigt auch der Erfolg der Fraktion Engagierter Studierender (FEST). Beim ersten Antreten der bisherigen FH-Fraktion an einer Uni konnte sie sich bereits ein Mandat für das Studierendenparlament sichern.

4 Die freiheitliche Rhetorik funktioniert bei Studenten nicht

Eine Fraktion konnte sich den ganzen Wahlabend lang kein einziges Mal freuen: der Ring freiheitlicher Studenten (RFS). Die Fraktion verlor an fast allen Universitäten, an denen sie kandidierte, Stimmen. Besonders schmerzhaft war der Verlust von acht Prozentpunkten an der Montanuniversität Leoben, die als RFS-Hochburg gilt. Generell scheinen freiheitliche Rhetorik und Inhalte bei den angehenden Akademikern nicht anzukommen. Nur 1471 Studenten wählten insgesamt den RFS. Zum Vergleich: An den Kommunistischen Studierendenverband gingen 1476 Stimmen, an den KSV Linke Liste 1270.

5 Liberalismus ist noch immer nicht breitenwirksam

Claudia Gamon, die Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen, brachte es am Wahlabend selbst auf den Punkt, als sie sagte, dass ihre Fraktion ein „Nischenprogramm“ fahre. Sie hat recht. Die Forderungen der JuLis nach Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen an den Unis scheinen nicht so breitenwirksam zu sein, wie von den JuLis propagiert. Nur 4248 von 260.000 wahlberechtigten Studierenden konnten die JuLis für sich gewinnen. Die Zeichen für die Nationalratswahl stehen somit schlecht. Dort wollen die JuLis im Verbund mit den Neos antreten und – so das Ziel – um junge, gebildete Leistungsträger werben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)

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