Brustkrebs: Radikaler Schnitt für angstfreies Leben

Amputation Radikaler Schnitt fuer
Amputation Radikaler Schnitt fuer(c) EPA (FACUNDO ARRIZABALAGA)
  • Drucken

Weil sie sich wegen des hohen genetischen Risikos vorsorglich die Brüste abnehmen ließ, sorgte Angelina Jolie für Aufsehen. In Österreich haben rund 25.000 Frauen einen ähnlichen Gendefekt.

Auf einmal hatte Miriam Strauss etwas mit Angelina Jolie gemeinsam. Denn was US-Schauspielerin Jolie am Dienstag via „New York Times“ verkündete, dass sie sich nämlich wegen des hohen Risikos in ihrer Familie das Brustgewebe entfernen hatte lassen, das hatte die Wienerin schon vor rund zwei Jahren am eigenen Leib miterlebt. Auch sie unterzog sich damals einer Mastektomie – ihr wurden beide Brüste abgenommen. Dass die beiden Frauen auch schon vorher etwas gemeinsam hatten, das war Strauss bis vor wenigen Tagen nicht bewusst – wie auch, denn dass Angelina Jolie ein defektes BRCA1-Gen in sich trägt, das das Brustkrebsrisiko bei ihr auf 87 Prozent ansteigen ließ, das erzählte die Amerikanerin erst, als sie die Behandlung längst hinter sich hatte.

„Auch ich komme aus einer sogenannten Brustkrebsfamilie“, sagt Strauss. „Meine Großmutter, eine Tante väterlicherseits und alle Cousinen – mit einer Ausnahme – haben Brustkrebs bekommen.“ So wie Jolie, deren Mutter Marcheline Bertrand im Jahr 2007 mit 56 Jahren an Brustkrebs starb, wurde ihr das Risiko, an dieser Art von Krebs zu erkranken, aus der Familie weitervererbt. Doch, und hier beginnen die Unterschiede, entschloss sich Jolie schon allein wegen der Voraussage zu der Operation. Strauss dagegen wurde erst durch den Ausbruch der Krankheit dazu gebracht, über einen solchen Eingriff nachzudenken. „Als die anderen Frauen in meiner Familie erkrankten, war ich noch ein Kind“, erzählt die 54-Jährige. „Damals gab es noch nicht dieses medizinische Wissen über Genetik wie heute.“ Erst im Laufe ihres Medizinstudiums begann sie sich Gedanken zu machen – darüber, dass die Erkrankung, die in ihrer Familie so häufig war, irgendwann auch einmal sie betreffen könnte. „Ich habe sogar einen Arzt gefragt. Der hat aber gesagt, dass das nur junge Frauen und die mütterliche Linie betrifft.“ Nachsatz: „Das war schlichtweg falsch.“


Auffälliger Befund. Eine Konsequenz dieser Diagnose war, dass Strauss entspannter mit dem Thema umging, nicht mehr ganz so regelmäßig zur Mammografie ging. Und umso härter kam es dann, als sie plötzlich einen auffälligen Befund in ihren Händen hielt. Auch die Biopsie danach war positiv – ein Tumor wurde entdeckt, zum Glück noch in einem frühen Stadium. „Es wäre bei mir möglich gewesen, brusterhaltend zu operieren, also nur den Herd zu entfernen.“ Doch nach der Diagnose begann sie einfach kühl zu kalkulieren: Das hohe Risiko in ihrer Familie, dazu ihr Wissen aus dem abgeschlossenen Medizinstudium – und am Ende stand eine klare Entscheidung: „Bevor ich immer mit dem Damoklesschwert über mir herumlaufe, wähle ich lieber die radikale Lösung.“ So wie Angelina Jolie unterzog sich Strauss einer beidseitigen Mastektomie. Und sicherheitshalber wurde ihr auch noch ein Lymphknoten entfernt. Erst nach der Operation ließ sie einen Gentest machen, um herauszufinden, ob es auch ein hohes Risiko für ein Eierstockkarzinom gibt. Er verlief negativ. „Aber das hat keineswegs bedeutet: Oh Gott, ich habe meinen Busen unnotwendigerweise entfernt. Nein, das war schon o. k.“

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, rund 5000 erkranken in Österreich jedes Jahr daran. Gerade deswegen setzt man in der Medizin auch auf regelmäßige Kontrollen und Früherkennung. Ein radikaler Schritt wie bei Angelina Jolie, das persönliche Erkrankungsrisiko zu senken, ist aber nur bei einem kleinen Teil der Frauen sinnvoll. Nur etwa fünf Prozent aller Brustkrebsfälle sind Folge einer vererbten Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen. In Österreich schätzt man die Zahl der davon betroffenen Frauen auf etwa 25.000. Dazu kommen noch etwa weitere fünf Prozent vererbter Brustkrebserkrankungen, die aber andere genetische Ursachen haben.


Berechnung des Risikos. Bei all diesen Frauen geht es vor allem darum, das Risiko einzuschätzen. Dies wird dadurch berechnet, dass Erfahrungswerte aus klinischen Studien mit den genetischen Daten der Patientinnen gekoppelt werden. Auf diese Weise ist man auch auf die 87 Prozent Risiko von Angelina Jolie gekommen. Insgesamt, so verriet Gynäkologe Christian Singer von der Med-Uni Wien bei der Präsentation eines Programms zur Betreuung gefährdeter Frauen, haben Frauen mit BRCA1- oder BRCA2-Mutationen ein 50-prozentiges Risiko, bis zum 50.Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken.

Fällt das Ergebnis so eindeutig aus, ist weniger die Frage, ob man an Brustkrebs erkrankt, sondern wann. Allerdings: „Wenn das Erbgut eines Patienten im Blut auf eine spezifische Mutation in einem bestimmten Gen angeschaut wird, kommt nicht immer ein Wert von 90 Prozent heraus“, sagt Peter Dubsky, Experte für Brusterkrankungen am Wiener AKH. „Es können etwa auch nur 30 Prozent sein. Und da fällt die Entscheidung schon schwerer.“ Die Entscheidung nämlich, ob man mit dem Risiko leben möchte – oder ob man es mithilfe einer Mastektomie um bis zu 95 Prozent senken will.

Eine verbindliche Lösung, die in allen Fällen passt, die gibt es nicht. Natürlich, sagt Miriam Strauss, spielen auch Gedanken mit wie: „Wie sehr bin ich Frau? Wie sehr sexuell begehrenswert?“ Schließlich gilt die weibliche Brust auch als äußerlich sichtbares Schönheitsattribut. Weniger optisch auffällig und doch gravierend ist es, wenn wegen des hohen genetischen Risikos auch die Eierstöcke entfernt werden sollen – auch sie sind bei einem solchen Gendefekt besonders stark gefährdet. Hier hängt eine Entscheidung unter anderem davon ab, ob man noch Kinder bekommen will. Und das ist oft auch eine Frage des Alters. „Wäre ich genetisch positiv, hätte ich sie sicher auch entfernen lassen“, sagt Miriam Strauss. „Ich bin über 50, habe ein Kind, da ist schon alles gelaufen. Da wäre nur die Frage, ob ich früher in den Wechsel komme oder nicht.“

Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die Medizinerin, die heute als Freiberuflerin arbeitet, immer wieder. Auch deswegen, weil sie Sprecherin von Europa Donna ist, einem Netzwerk für von Brustkrebs betroffenen Frauen. Und seit rund einer Woche beantwortet sie auch immer wieder Fragen rund um Angelina Jolie. Denn die Schauspielerin hat über ein Tabu gesprochen, hat damit vielleicht vielen Frauen Mut gemacht. „Sie hat meine Sympathie dafür, es öffentlich gesagt zu haben.“ Es ist ein klassischer Fall, in dem über Prominenz ein Thema in den Vordergrund geschoben wird. „Denn kaum macht das eine schöne Frau“, meint Strauss, „schauen alle hin.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Zuspruch für Angelina Jolie nach Brust-Amputation
Salon

Zuspruch für Angelina Jolie nach Brust-Amputation

Schauspielerin Angelina Jolie ließ sich vorsorglich beide Brüste entfernen. Ihr Lebensgefährte Brad Pitt lobt ihren Mut.
Angelina Jolie
Salon

Das Bekenntnis der Angelina Jolie

US-Schauspielerin Angelina Jolie ließ sich vorsorglich beide Brüste entfernen. Wie sie trägt eine von 500 Frauen eine risikoreiche Genmutation. In Österreich wird gezielt getestet.
Angelina Jolie
Salon

Krebs-Gen: Proaktive Brustamputation für Angelina Jolie

Die Schauspielerin habe sich für den Eingriff entschieden, weil sie ein Gen in sich trage, das ihr Risiko für Brustkrebs stark erhöhe, erklärt die sechsfache Mutter.
Angelina Jolies Tante ist an Brustkrebs gestorben
Salon

Angelina Jolies Tante ist an Brustkrebs gestorben

Die Schauspielerin hatte sich wegen ihres hohen Krebsrisikos beide Brüste amputieren lassen. Ihre kürzlich verstorbene Tante war die jüngere Schwester der 2007 ebenfalls an Brustkrebs gestorbenen Mutter Jolies.
Gesundheit

Genetiker Hengstschläger: »Effektivste Methode, das Risiko zu senken«

Markus Hengstschläger, stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission, über die Kritik an Angelina Jolie und den Trend zur Risikokontrolle in der Medizin.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.