150 Jahre SPD: Jubelfeier ohne Aufbruchsstimmung

150 Jahre SPD
150 Jahre SPD(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Die älteste Partei Kontinentaleuropas feiert in Leipzig ihr 150-Jahr-Jubiläum. Sie blickt stolz auf eine große Geschichte zurück, die Gegenwart scheint ihr weniger hold.

So recht mag beim 150-Jahr-Jubiläum der Sozialdemokraten heute in Leipzig keine Jubelstimmung aufkommen. Dabei hat die SPD zur Geburtstagsfeier alles aufgeboten, was Rang und Namen hat: Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande als Festredner aus dem eigenen Lager sowie eine Reihe von Partei- und Regierungschefs, darunter Werner Faymann. Für die musikalische Untermalung in und vor dem Gewandhaus sorgen unter anderem „Die Prinzen“.

SPD-Chef Sigmar Gabriel gab den Ton vor: „Nichts von dem, was an Freiheit und Demokratie und auch an sozialem Ausgleich in unserem Land heute möglich ist, gäbe es ohne die deutsche Sozialdemokratie. Die SPD ist die älteste demokratische Partei auf unserem Kontinent. Sie war Wegbereiterin von Demokratie und Freiheit.“ Schatzmeisterin Barbara Hendricks verbreitete sogar eine positive Nachricht: In puncto Mitgliederzahlen ist die SPD wieder zur stärksten Partei aufgestiegen, hauchdünn vor der CDU (freilich ohne die CSU).

Im Umfragetief

Bei den Umfragedaten befinden sich die Sozialdemokraten dagegen schwer im Hintertreffen. Vier Monate vor der Bundestagswahl am 22.September sollte die Partei eigentlich bereits in der Offensive sein. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellte vorige Woche einen Teil seines Schattenkabinetts vor, darunter eine Kommunikationsexpertin. Einen Schub hat das seiner von Pleiten, Pech und Pannen begleiteten Kampagne freilich noch nicht versetzt. Laut einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa legten die Sozialdemokraten lediglich um einen Prozentpunkt zu: auf 24 Prozent, ausgehend vom historischen Tiefstand von 23 Prozent bei der Bundestagswahl 2009.

Zugleich stabilisierte Kanzlerin Angela Merkel ihre Führungsposition. Trotz der Euro-Hawk-Affäre ihres Verteidigungsministers Thomas de Maizière und der Amigo-Affäre der CSU liegt die Union im Stimmungsbarometer bei 41Prozent. Wermutstropfen für Merkel: Koalitionspartner FDP würde nach dem Stand der Dinge mit vier Prozent den Einzug in den Bundestag verfehlen. Die Kanzlerin wäre gezwungen, eine neue Allianz zu schmieden – womöglich erneut eine ungeliebte Große Koalition.

Die Beteiligung der SPD als Juniorpartner in einer Großen Koalition bescherte ihr zwischen 2005 und 2009 die Schlüsselressorts Arbeit und Soziales (Franz Müntefering), Äußeres (Frank-Walter Steinmeier) und Finanzen (Peer Steinbrück), und sie drückte ihr auch den Stempel auf. Am Ende aber stand eine schwere Wahlschlappe, die sie in die Opposition zwang.

Die sozialliberale Ära

Bei der Regierungspremiere in den 1960er-Jahren – einer Zäsur in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik – verhielt es sich umgekehrt. Als Vizekanzler und Außenminister einer Großen Koalition katapultierte sich Willy Brandt an die Spitze einer sozialliberalen Regierung. Brandt begründete eine Ära, die 13 Jahre anhalten sollte – mit Helmut Schmidt als Nachfolger nach Brandts unrühmlichem Rücktritt im Mai 1974.

Drei Jahrzehnte führte eine Troika, bis heute verehrt als Galionsfiguren, die SPD: Brandt, Schmidt und Fraktionschef Herbert Wehner als „Gewissen der Partei“. Nach der Wende verzettelten sich „Willys Enkel“ in Richtungs- und Diadochenkämpfen. In letzter Konsequenz schloss sich der fintenreiche Ex-Parteichef Oskar Lafontaine der Linkspartei an, und viele Gewerkschafter folgten ihm in seinem Rachefeldzug gegen seinen Erzrivalen Gerhard Schröder.

Derartige Turbulenzen wollte SPD-Chef Gabriel bei der frühzeitigen Festlegung des Kanzlerkandidaten vermeiden. Bis dato blieb Steinbrück jedoch die Fortüne versagt, nach einem holprigen Start kam ihm Gabriel ins Gehege – zuletzt bei der Forderung nach einem Tempolimit von 120 km/h.

Auf einen Blick

Geschichte. Der Arbeiterführer Ferdinand Lasalle gründete am 23.Mai 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), einen SPD-Vorläufer. 1875 schlossen sich der ADAV und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei zu Sozialistischen Arbeiterpartei zusammen. 1890 benennt sie sich in SPD um.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2013)

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