Das System Haider – eine Abrechnung

Es ist bezeichnend für den als Halbgott Verehrten (und als Dämon Überhöhten): Erst jetzt machen die Mitstreiter, Mittäter und Mitläufer den Mund auf. Immerhin.

So lief es also, das System Haider. Zumindest, wenn man dem ehemaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer glauben darf. Ob er denn nicht auch einmal dem Gernot Rumpold einen Auftrag zukommen lassen wolle, hatte ihm der Landeshauptmann von Kärnten und Pate der schwarz-blauen Koalition in Wien via Telefon zugeraunt. Dieser sei ja, wie anhand der FPÖ-Kampagnen der jüngeren Vergangenheit ersichtlich, ein begnadeter Werber. Hart an der Grenze zwar, aber pointiert.

Zufälligerweise stand die Haider-FPÖ bei ebendiesem Gernot Rumpold wegen dessen grenzgenialer Kampagnen zur selben Zeit – es war rund um die EU-Wahl 2004 – in der Kreide. Wenig später sollte Rumpold der FPÖ 764.000 Euro an Schulden erlassen. 600.000 Euro hatte er von der Telekom Austria erhalten.

Es ist eine halbe „smoking gun“, die Rudolf Fischer da gestern auf den Richtertisch gelegt hat. Die andere Hälfte hatte vor einem Dreivierteljahr der Steuerberater Dietrich Birnbacher dort deponiert, der angab, dass Teile seines Hypo-Honorars an die Haider-Partei (und die Kärntner ÖVP) hätten fließen sollen.

Somit wird immer offensichtlicher, was von den einen seit jeher geglaubt, von den anderen heftig bestritten, aber von vielen für möglich gehalten wurde: dass Jörg Haider einen äußerst kreativen, um nicht zu sagen gewissenlosen Zugang zur Parteienfinanzierung hatte. Seiner eigenen Partei. Die Kampagnen waren ja stets aufwendig gewesen, immer wieder schob er Zwischenwahlkämpfe ein, auch sein Lebensstil und der seiner Jünger war nicht gerade das, was man bescheiden zu nennen pflegt.

In der Causa Telekom und in der Causa Hypo gibt es nun erste Zeugenaussagen, die die Verdachtsmomente bestätigen. Es stehen aber noch viel mehr im Raum: in der Causa Staatsbürgerschaften etwa, in der viel darauf hindeutet, dass der diesbezüglich verurteilte Uwe Scheuch lediglich das von Jörg Haider erprobte System fortgeführt hat – Staatsbürgerschaften für Investitionen plus Parteispende. Oder das in Liechtenstein oder der Schweiz vermutete Konto, das möglicherweise in Zusammenhang mit Jörg Haiders Besuchen bei Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi steht. Nur Sand für die Beachvolleyball-Courts am Wörthersee wird er von dort wohl nicht mitgebracht haben.

Jörg Haider war ein Grenzgänger. Einer, der die Grenze auch gern überschritt. Und dem dies nicht nur seine Anhänger nachsahen. Es ist bezeichnend, dass sich erst jetzt, Jahre nach seinem Tod, langsam nachweisen lässt, dass er am Rande der Legalität und auch darüber hinaus agiert hat. Was wäre, würde Haider heute noch leben? Würden sich seine Mitstreiter, Mittäter, Mitläufer dann auch getrauen auszusprechen, was der Wahrheit entspricht?

Jörg Haiders Gegner hatten recht und unrecht zugleich. Er war nicht der große Dämon, der Wiedergänger Adolf Hitlers. Er war ein politischer Gauner. Der mit dem Steuergeld genauso spielte wie mit den Gefühlen der Bürger. Ein Verführer, charismatisch, skrupellos, stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Ein Egomane, der vorgab, der Anwalt des kleinen Mannes zu sein. Der allerdings auch selbst daran glaubte.

Und wer eine Mission hat – die Rettung der Benachteiligten, Zu-kurz-Gekommenen und Belächelten vor den Vergangenheitsbewältigern, den Ausländerfreunden, den Wiener Zentralisten, den Funktionären des rot-schwarzen Kammernstaats, den besserwisserischen Linken, den rücksichtslosen Kapitalisten –, der neigt eben dazu, sich einzubilden, dass er zum Wohle jener, die ihre Hoffnungen in ihn setzen, im Zweifel die Gesetze außer Acht lassen kann. Schließlich gilt sein Tun ja einem höheren Ziel, und der Zweck heiligt die Mittel. Dass es sich dabei in Wirklichkeit einfach um Machtergreifung und Machterhalt handelt, sieht ein solcher von der eigenen Bedeutung Ergriffener nicht.

In der Politik, das zeigt sich am Beispiel Jörg Haider einmal mehr überdeutlich, ist ein halbwegs ordentliches Mittelmaß mitunter besser als ein Charismatiker, der sich dann als Blender erweist, der nur Scherben hinterlässt.

Auch wenn viele Menschen Jahre dafür brauchen, um da draufzukommen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2013)

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