Vor 100 Jahren: Der 'König der Vaterlandsverräter' stürzt

Jahren Koenig Vaterlandsverraeter stuerzt
Jahren Koenig Vaterlandsverraeter stuerzt(c) Wikimedia (Bildarchiv Austria)
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Er verkaufte Militärpläne, um seinen Liebhaber zu bezahlen: Oberst Alfred Redl sorgte für den größten Spionagefall der österreichischen Geschichte. Am 25. Mai 1913 erschoss er sich nach seiner Enttarnung.

„Der gehört auf einen Misthaufen und nicht in ein ehrliches Grab." Der Zorn in der Bevölkerung war groß als Alfred Redl, Oberst des Generalstabs und früherer Chef des k.u.k. Geheimdienstes, am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt wurde. Immerhin war der 49-Jährige verantwortlich für den größten Spionagefall der österreichischen Geschichte. Denn der „König aller Vaterlandsverräter" hatte am Vorabend des Ersten Weltkrieges militärische Informationen an Russland, Frankreich und Italien verkauft - um seinen aufwendigen Lebensstil samt Liebhaber zu finanzieren.

Dabei glich Redls Werdegang zunächst einer Bilderbuchkarriere: Geboren am 14. März 1864 in Lemberg, trat er mit 15 Jahren in die Kadettenschule ein, die er mit „sehr gutem Erfolg" abschloss. Es folgten die Beförderung zum Leutnant, Hauptmann und Major. 1899 wurde er nach Russland geschickt, kurz darauf übernahm er den Posten des Vize-Leiters des Wiener Evidenzbüros im Generalstab. Hier wurden Informationen über alle auswärtigen Staaten gesammelt, bewertet und Kaiser Franz Joseph I. vorgelegt. Redl stieg rasch auf: 1912 wurde er zum Oberst befördert, kurz darauf als Generalstabschef des VIII. Armeekorps nach Prag versetzt.

Von Schulden zu "Sexorgien"

Wann genau Redl die Seiten wechselte, ist nicht überliefert. Allerdings änderte sich ab 1907 sein Lebensstil, was vermuten lässt, dass er erstmals kurz davor Pläne gegen Geld weitergab. Hatte der Oberst zuvor verschuldet und bescheiden gelebt, legte er sich nun Autos, Pferde, Diener und Chauffeure zu. Wenige Monate, bevor er enttarnt wurde, soll er einen Kontohöchststand von umgerechnet 500.000 Euro gehabt haben.

Einen Großteil des Geldes investierte er in Geschenke an seinen Liebhaber, dem der zeitweilig zweithöchste Mann des k.u.k. Geheimdiensts nicht nur Pferde, sondern auch Ausbildung und Wohnung bezahlte. Nach seinem Ableben berichteten mehrere Zeitungen von „Sexorgien mit gemieteten Frauen".

„Ich habe mein Leben verwirkt"

Warum die Machenschaften des Oberst ans Licht kamen, ist unklar. Manche Quellen berichten, ein russischer Spion habe Redl aus Neid verraten, andere meinen, ein enttäuschter Liebhaber wollte sich rächen. Fest steht, dass der deutsche Geheimdienst einen Brief aus dem russischen Grenzgebiet abfing, der Hinweise auf einen Spion in Wien enthielt. Beigelegt waren 6000 Kronen, rund 35.000 Euro. Adressiert war der Umschlag an Nikon Nizetas - wie sich später herausstellte, Redls Deckname.

Der Nachrichtendienst leitete das Schreiben an das Wiener Hauptpostamt weiter, wo es Redl am 24. Mai 1913 abholte. Lauernden Polizeibeamten konnte der Oberst per Taxi zunächst entwischen. Erst in einem Zimmer im „Hotel Klomser" in der Wiener Herrengasse wurde er gestellt. „Ich weiß schon, weshalb die Herren kommen", soll er gesagt haben. „Ich bin das Opfer einer unseligen Leidenschaft. Ich weiß, dass ich mein Leben verwirkt habe und bitte um eine Waffe, um mein Dasein beschließen zu können."

Bevor er sich um zwei Uhr früh am 25. Mai 1913 eine Browning-Pistole in den Mund steckte, gestand Redl, „fremde Staaten im Großen bedient" zu haben. Das genaue Ausmaß ist nicht bekannt, als gesichert gilt aber, dass der Oberst die „Mobilisierungs-Weisungen" des VIII. Korps, die „Ordre de Bataille" (Heereseinteilung im Kriegsfall), Dokumente über die „Grenz- und Eisenbahnsicherung" sowie über die „Kriegsausrüstung fester Plätze" weitergegeben hat.

"Hätte mit Niederlage rechnen müssen"

In den Medien wurde Redl zum Sündebock stilisiert. So kommentierte etwa die „Neue Freie Presse" am 30. Mai 1913: „Die Schmach aus seinem Andenken kann auch vom Selbstmord nicht verlöscht werden." Kriegsentscheidend dürften die Informationen trotz ihrer Brisanz aber nicht gewesen sein. Laut den Historikern Verena Moritz und Hannes Leidinger habe sich die politische, militärische und strategische Lage in den Jahren 1913/14 stark verändert, „sodass eine direkte Auswirkung auf die Feldzüge nicht mehr nachweisbar ist. Allerdings, wäre es schon 1913 zum Kriegsfall gekommen, so wären diese Informationen für die russische Seite Goldes wert gewesen. Man hätte mit einer schweren Niederlage der österreichisch-ungarischen Armee rechnen müssen", sagte Leidinger der „Welt".

Redls Leichnam befindet sich noch heute auf dem Wiener Zentralfriedhof - in der Gruppe 79, Reihe 27, Nummer 38. Grabstein erinnert keiner mehr an ihn, dieser wurde 1944 von den Nationalsozialisten entfernt. Offiziell gilt das Grab als aufgelassen und neu belegt, seine Gebeine wurden von dort aber nie entfernt.

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