Die Anzahl der Systemerhalter unter den Grundwehrdienern soll reduziert werden. Für die Küche braucht man aber weiterhin Rekruten. Eine Reportage.
Wien. Salatbuffets anrichten, Spinatspätzle ausgeben, Töpfe schrubben. Recht gefährlich sind die Aufgaben, die Lucas hat, nicht – obwohl er beim Militär ist. Während andere Grundwehrdiener auf dem Truppenübungsplatz schießen und im Wald herumrobben, arbeitet er in der warmen Küche. Lucas ist einer der viel zitierten Systemerhalter unter den Grundwehrdienern – also ein Rekrut, der nicht militärisch ausgebildet wird, sondern Hilfstätigkeiten nachgeht.
Gehilfen wie ihn soll es in Zukunft nur noch wenige geben. Denn während SPÖ und ÖVP ihre Reform im Sportbereich für die Grundwehrdiener am Freitag präsentierten, hatten sie schon vor Wochen angekündigt: In den nächsten beiden Jahren soll das Verhältnis Systemerhalter zu Rekruten im „militärischen Kerngeschäft“ von derzeit 60 Prozent auf 40 Prozent „zumindest umgedreht“ werden.
Das betrifft vor allem Kellner und Chauffeure. Aber nicht jeder Systemerhalter sei künftig unnötig: Sollte einer der jungen Männer eine Ausbildung im Gastronomiebereich haben, könne er durchaus auch im Bundesheer dort eingesetzt werden.
„Froh, in der Küche zu sein“
So wie der gelernte Koch Lucas: „Ich bin ziemlich froh, hier in der Küche zu sein“, meint er. Auf Schießen hätte er wenig Lust gehabt. Und zu tun gebe es auch genug. Er ist in der Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne eingesetzt. Hier befindet sich die Zentralküche, in der für alle Wiener Kasernen gekocht wird – das sind schon einmal 3000 Portionen am Tag. Acht Rekruten gehen sechs Köchen zur Hand, von sechs Uhr früh bis 14 Uhr.
Gekocht wird nach dem „Cook and chill“-Prinzip: Die Speisen werden kurz vor dem Ende der Garung schockgekühlt, verpackt und bei vier Grad Celsius gelagert. Durch das Verfahren sollen lange Warmhaltezeiten vermieden werden und damit die Nährstoffe erhalten bleiben. In den Kasernen werden die Gerichte dann fertig zubereitet. Was am Montag gekocht wird, wird am Dienstag geliefert und steht am Mittwoch auf dem Tisch.
Ausbildung für militärische Köche
Aber hier in der Kaserne werden nicht nur Soldaten in ganz Wien versorgt – auch militärische Köche werden ausgebildet. Sie müssen einerseits in der Truppenküche für Verpflegung sorgen, andererseits sollen sie dann im Notfall auch in einer Feldküche arbeiten: Einem bis zu fünf Quadratmeter großen Container.
Harald Kaltmann bildet heute den Nachwuchs aus – vor einigen Jahren war er selbst noch als Feldkoch im Dienst. „Gibt es einen Notfall, ist die Truppe binnen weniger Stunden in der Kaserne alarmiert.“ Spätestens innerhalb von 48 Stunden sollten die Soldaten schon am Ort der Katastrophe sein. Ein Feldkoch baut mit zwei Gehilfen die Küche innerhalb von 30 Minuten auf. „Er muss also nicht nur wissen, wie man kocht, sondern braucht auch logistisches Wissen.“
Zwei Tage sollte er die Soldaten ohne zusätzliche Lieferungen verpflegen können – egal, ob er sich in der Wüste oder in einem überschwemmten Gebiet befindet. Dann gibt es eine kalte Platte und „irgendein Löffelgericht“. Also Eintöpfe oder das berühmte Gulasch. „Und im Notfall muss er wissen, wie er sich verteidigt.“ Auch ein Koch im Krisengebiet habe die Waffe also immer griffbereit.
Sonst sei man für die psychologische Erholung der Soldaten verantwortlich: „Außer dem Essen gibt es ja sonst nicht viel Erfreuliches.“
Solche Notfälle gibt es allerdings nicht viele. Das letzte Mal sei eine Feldküche im Ausland im Tschad eingesetzt worden, meint Kaltmann. Daher werde die Anzahl dieser Geräte – und des Personals – drastisch reduziert.
Hauptsache Masse
Dabei gehe es aber auch um das Geld – von dem das Bundesheer mit einem Budget von rund zwei Milliarden Euro immer weniger zur Verfügung hat. „Als ich noch als uniformierter Koch gearbeitet habe, hatten wir einmal im Monat eine Übung in der Feldküche. Auch Rekruten, die in der Küche gearbeitet haben, haben einmal wöchentlich etwas Militärisches machen müssen.“ Das gebe es heute nicht mehr. So wie Lucas – nach seiner Grundausbildung hatte er wohl kein einziges Mal mehr eine Waffe in der Hand.
Kaltmann hat aber auf jeden Fall etwas Militärisches an sich. Gefragt nach seinem Lieblingsgericht antwortet er: „Egal. Hauptsache Masse.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2013)