Roberto Cavalli: Der Modemacher als Therapeut

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Gut gelaunt und auch so angezogen: Das Ehepaar Roberto und Eva Cavallierklärt im exklusiven Interview das Konzept der Mode-Positività und warnt vor der Mühsal harter Dschungelkämpfe.

Unser Gespräch wird in einer Ausgabe der „Presse am Sonntag“ erscheinen, die besonders lösungsorientiert ist. Darum möchte ich Sie eingangs fragen: Ist eine positive Grundhaltung auch für die Möglichkeit kreativer Entfaltung wichtig?

Eva Cavalli: Natürlich, was sonst. Das ist die Grundlage für alles andere.

Roberto Cavalli: Ich habe meine Laufbahn mit einem Kunststudium begonnen, und für mich ist Kunst in erster Linie Farbe. Darum sorge ich auch in und mit meiner Mode für Farbe. Und was ist Farbe schließlich anderes als Optimismus und gute Stimmung? Farbe, Muster, sexy Silhouetten, das sind die Pfeiler modischer „Positività“.

Eva C.: Wenn sie uns hilft, uns schöner oder selbstsicherer zu fühlen, hat diese „Positività“ ihre Aufgabe erfüllt.

Kleidung soll also die momentane Stimmung des Trägers spiegeln; wohl aber auch seiner Persönlichkeit entsprechen?

Roberto C.: Was die Stimmung betrifft, ist das sicher richtig. Auf der Ebene der Persönlichkeit ist das schwieriger. Sie sollte es tun, ja, aber heutzutage ist das oft nicht einmal im Luxussegment möglich. Zu viele Frauen folgen dem Bild, das sie von der Werbung oder einem Filmstar vorgeführt bekommen. In den Siebzigern, als ich angefangen habe, war das noch anders. Heute geht es oft nur um den Namen der Designer ihrer Labels. Das ist alles ganz falsch.

Was die Arbeit zu zweit betrifft, so verläuft diese bei Ihnen ...?

Roberto C.: Fantastisch. Ich bin zwar länger in der Mode tätig als Eva und habe ihr vielleicht sogar die ersten Worte in dieser Sprache beigebracht, aber ihre Jugend, ihr Stilbewusstsein und ihre Persönlichkeit haben sie wohl in der Folge den „Maestro“ übertrumpfen lassen.

Eva C.: Unsere Auseinandersetzungen verlaufen sehr konstruktiv, weil sich die Sichtweise einer Frau und jene eines Mannes ergänzen.

Sie schaffen es also stets, sich auf eine Version der „donna Cavalli“ zu einigen?

Roberto C.: Ja, noch tun wir das. Ich sage „noch“, weil sich das ganze System der Mode so rasch verändert. Anstatt von der besten Ästhetik dominiert zu sein, zählt nur mehr die Macht der Werbung. Die größten, finanzkräftigsten Modehäuser verdienen Unsummen, weil sie es sich leisten können, Unsummen für Werbung auszugeben, was ihnen wieder die Unterstützung der Medien sichert.

Diesen Regeln scheint aber das Modesystem in seiner gegenwärtigen Form zu gehorchen. Muss man das Spiel nicht mitspielen, um überleben zu können?

Roberto C.: Es ist unglaublich, aber ich glaube, Sie haben tatsächlich recht. Für uns ist das noch nicht einmal so dramatisch, Roberto Cavalli ist ja eine bekannte, gut etablierte Marke. Für junge Modemacher, die heute anfangen, ist das anders; sie sind auf sich gestellt in einem von Finanzhaien und Investoren dominierten Dschungel.

Eva C.: Was uns hilft, in diesem Umfeld zu bestehen, ist auch, dass wir eine ganz bestimmte Mode anbieten, die Gefallen bei ganz bestimmten Frauen findet. Wir sind nicht beliebig.

Worum geht es Ihnen in Ihrer Arbeit: ein Nachdenken über Schönheit, das Vermitteln von Freude, um Spaß und Party?

Eva C.: Nach Wien sind wir gekommen, um Freude zu machen, um zu feiern und Gutes zu tun. Unsere Life-Ball-Modeschau ist genau der Beitrag, den wir hier leisten können.

Roberto C.: Freude machen mit Mode, das ist mir aber ohnehin ein Anliegen.

Eva C.: Erinnerst du dich, wie einmal ein Amerikaner scherzte: Wir sind Ihnen dankbar, denn das Geld, das wir für Ihre Mode ausgeben, sparen wir später an Psychotherapiekosten.

Lassen Sie uns noch einmal über Ihre Branche sprechen: Es gibt ja immer weniger Marken, die nicht zu großen Luxusgruppen gehören. Ist der Druck sehr groß?

Roberto C.: Dieses Thema ist schwierig, weil es eine fast politische Dimension hat. Als sich in den Achtzigern diese Luxusmarken-Konglomerate zu formieren begannen, war ich noch ratlos, was die Verantwortlichen antrieb. Viel später habe ich erst erkannt, mit welcher Voraussicht hier agiert wurde. Meiner Meinung nach war den wichtigsten Akteuren damals schon klar, dass sich zum Beispiel der chinesische Markt öffnen würde und welches Potenzial hier bestand. Seit ein paar Jahren eröffnen in chinesischen Großstädten Luxus-Malls, und den großen Konzernen ist es ohne Weiteres möglich, ein ganzes Stockwerk mit ihrem Markenportfolio zu bespielen. So können wir natürlich nicht agieren.

Sie würden es wahrscheinlich begrüßen, wenn Cavalli in der Hand der Familie bliebe?

Eva C.: Selbstverständlich. Mit Daniele Cavalli, der die Herrenkollektion entwirft, und Rachele Cavalli, die sich um die Accessoires kümmert, ist das auch absehbar.

In Wien haben Sie in diesen Tagen auch eine erste Monolabel-Boutique eröffnet: Verfolgen Sie die Entwicklung der Stadt?

Roberto C.: Wir haben schon lange nach einer Möglichkeit für eine Präsenz unserer Marken in Wien gesucht. Der erste Schritt ist jetzt gemacht, und dass wir das in der Hauptstadt von Evas Heimat geschafft haben, hat für uns eine besondere Bedeutung.
Eva C.: Wir wissen aber auch, dass Wien sich zu einem internationalen Luxus-Hub entwickelt hat – Russen und Chinesen, Kunden aus dem arabischen Raum kommen hierher. Ich kenne die Stadt, weil meine Schwester hier gelebt hat, und finde sie wunderschön. Zugleich sehe ich die positive Entwicklung, die sie aus unserer Perspektive durchlaufen hat und noch weiter durchlaufen wird.

Roberto C.: Außerdem wissen die Österreicher das Schöne zu schätzen; das kann uns nur helfen.

Steckbrief

Roberto Cavalli
1940 in Florenz geboren, beginnt Cavalli seine Karriere mit einem Kunststudium. 1970 gründet er seine Firma, 1977 lernt er seine zweite Frau Eva kennen, die er 1980 heiratet. 2013 zum zweiten Mal nach 2001 Life-Ball-Gastdesigner.

Eva Cavalli
Geboren 1959 in Vorarlberg, 1977 als „Miss Austria“ zur Wahl der „Miss Universe“ in der Dominikanischen Republik entsandt, wo Roberto Cavalli als Juror fungiert. Nach der Eheschließung Einstieg in Cavallis Modeimperium, das sie heute gemeinsam mit ihm verwaltet. Mutter von Robert, Rachele und Daniele Cavalli.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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