Weltmarktführer: "Der Wirbelbruch hat sein müssen"

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Ein schwerer Unfall öffnete Luis Schwarzenberger die Augen - und den Weg zum Erfolg. Inspiriert von seiner eigenen Heilung dank Wärme entwickelte der Tiroler Infrarotkabinen für alle. Heute dominiert seine Firma Physiothermden Weltmarkt.

Es war ein schöner Wintertag. Die Sonne schien, die Luft war klar. An diesem Jännermorgen vor 19 Jahren deutete nichts darauf hin, dass das Leben des Tiroler Alpinisten Luis Schwarzenberger gerade heute in seinen Grundfesten erschüttert werden sollte. Wie so oft war der damals 52-Jährige Innsbrucker mit einem Freund zu einer Skitour aufgebrochen. Nur diesmal sollte er nicht unbeschadet aus Schwarzau zurückkommen. Eine Spur zu schnell fuhr der routinierte Skitourengeher auf eine Kante hin, stürzte zwei Meter in die Tiefe und landete mit dem Rücken im steinigen Bachbett. Im ersten Moment habe ich geglaubt, ich bin querschnittgelähmt“, erzählt Schwarzenberger.

So schlimm sollte es nicht kommen. Doch zwei Rückenwirbel waren gebrochen, die Ärzte drängten ihn zu einer langwierigen Operation. Doch davon wollte der eigensinnige Naturbursche nichts wissen. Er sagte die geplante Versteifung seiner Wirbelsäule kurzerhand ab und bekam stattdessen zehn Wochen Gips verschrieben.


Riskante Selbsttherapie. „Das war sehr grausam. Nach drei Tagen wusste ich: Den lasse ich nicht länger als eine Woche oben.“ Es war nicht der erste Bruch des Sportlers. Doch anders als bei seinen Beinfrakturen zögerte er bei der Wirbelsäule doch. Zur Sicherheit fragte er einen befreundeten Mediziner aus Bayern um Rat. Dessen Antwort konnte Schwarzenberger kaum glauben: „Luis, nimm den Gips runter und bestrahle den Rücken intensiv mit einer Infrarotlampe“, riet der Arzt. „Aber rede mit niemandem, jeder würde dir abraten.“

Gesagt, getan. 18 Stunden am Tag behandelte sich der Tiroler selbst mit Wärme. Schon am ersten Tag seien die Schmerzen vergangen, nach zehn Tagen sei er wieder auf den Beinen gewesen, erzählt er heute. Was er nicht wusste: Mit dem Unfall war auch der Grundstein für seinen unternehmerischen Erfolg gelegt.

Fortan hatte Schwarzenberger nur noch eines im Sinn: Die Kunde von der heilenden Kraft der Wärme unter die Leute zu bringen. „Es ist, als hätte der Wirbelbruch irgendwie sein müssen.“ Rückblickend hätten sich die Dinge ab diesem Moment fast wie von selbst gefügt. Der Innsbrucker war stets selbstständig gewesen. Doch sein bisheriger Brotjob, der Handel mit Modeschmuck und Stoffen aus Indien, genügte ihm nicht länger. Schwarzenberger machte sich auf die Suche nach etwas Neuem – und fand es in Person eines Tiroler Erfinders. Dessen Spezialgebiet: Infrarotstrahlung. Gemeinsam planten sie ihre erste private Infrarotsauna. Schwarzenberger nahm die Million Schilling, die er sich in den Jahren vorher als „Spielgeld“ auf die hohe Kante gelegt hatte, und bastelte sieben Monate lang Tag und Nacht an seinem Prototypen.

Wärme für Skispringer. Leicht war es nicht. Nach zwei Monaten brennt seine Wohnung wegen eines Kurzschlusses fast komplett ab. Er nimmt es als Zeichen und ändert seinen Zugang radikal. Mit Erfolg. Ein paar Monate später sind die ersten Kabinen verkauft und installiert. Anfang 1995 gründet der Tiroler sein Unternehmen und stellt die ersten drei Mitarbeiter ein. Physiotherm war geboren. Vom ersten Tag an schreibt das Unternehmen, dank niedriger Investitionskosten, Gewinne.

18 Jahre später beschäftigt Physiotherm 210 Mitarbeiter an 57 Standorten in fünf Ländern. Für den ersten Boom sorgte Ende der Neunzigerjahre die Hotellerie. Heute ist das Unternehmen Weltmarktführer bei Infrarotkabinen. In Österreich kommen sechs von zehn dieser Kabinen aus Schwarzenbergers Werken in Tirol und Ostdeutschland.

Die hauseigene Entwicklungsabteilung forscht beständig an neuen Anwendungsmöglichkeiten für die Wärmekammern und entwickelt Einzigartiges: Physiotherm hat die erste Infrarotkabine gebaut, die auch problemlos von Querschnittgelähmten benutzt werden kann. Berührungslos wird die Körpertemperatur des Menschen gemessen und die Wärme entsprechend reguliert. So müssen auch Menschen ohne Schmerzempfinden nicht fürchten, zu verbrühen. Auch Österreichs Skispringer, Slalomfahrer und Fußballer setzen auf portable Versionen der Physiotherm-Kabinen.

Mittlerweile hat der heute 71-Jährige das Szepter an seinen Nachfolger Josef Gunsch übergeben. Auch er teilt die Vision des Firmengründers: Das Allheilmittel Wärme irgendwann in jeden Haushalt zu bringen. Ganz so wie es die Dusche in nur zwei Jahrzehnten von den 1960ern bis in die 1980er geschafft hat.

Der nächste Schritt für das Unternehmen mit knapp 30 Millionen Euro Jahresumsatz ist Deutschland. Bis 2015 will Physiotherm dort 50 neue Standorte eröffnen. Denn anders als die Konkurrenz verzichtet das Unternehmen auf Baumärkte als Vertriebskanal. Und ist Deutschland „erobert“, soll Großbritannien folgen.


Mit dem Rad nach Hamburg. All das interessiert den Gründer Schwarzenberger gar nicht mehr so sehr. Die Expansion ist ganz Aufgabe von Gunsch. „Ich hätte die Lust nicht mehr gehabt. Mir ist egal, wie groß wir werden“, sagt Schwarzenberger. „Mir ist es wichtig, dass ich etwas Nützliches hinterlasse.“ Lebensglück sei die einzige Währung, die letztlich Wert habe.

Dazu zählt für ihn auch der tägliche Gang in die Infrarotkabine. „Dort lade ich Energie.“ Und Energie hat der Pensionist genug. Skitouren geht er wie eh und je. Das Fahrrad ist als Leidenschaft dazugekommen. „Zeit habe ich ja genug. Nur das Wetter spielt nicht mit.“ Es scheint, als könnte er den Sommer kaum erwarten: „Morgen kommt mein neues Rad. Sobald es nicht mehr regnet, fahre ich damit nach Hamburg“.

Heilende Wärme

Luis Schwarzenberger
gründete Physiotherm nach einem schweren Unfall im Jahr 1995. Das Unternehmen aus Tirol erzeugt Infrarotkabinen und ist – gemessen am Umsatz – in diesem Bereich Weltmarktführer. Operativ geführt wird Physiotherm seit dem Jahr 2003 von Josef Gunsch.

Die Kraft der Wärme soll der raschen Genesung, der Muskelentspannung und der Entschlackung dienen. Über 90 Prozent der Kabinen werden an Privatpersonen verkauft. Aber auch in Reha-Zentren und im Spitzensport werden sie eingesetzt. Matthias Auer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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