Gut und böse: Der Stress von Pflanzen

(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Trockenheit, Hitze oder reaktive Sauerstoffarten können sich sehr unterschiedlich auswirken.

Nicht nur wir Menschen kennen Stress – eine laut Lexikon „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“. Dieses Konzept, das 1936 von dem österreichisch-kanadischen Mediziner Hans Selye ausgearbeitet wurde, lässt sich laut der Innsbrucker Pflanzenphysiologin Ilse Kranner auch auf Pflanzen übertragen. Denn Pflanzen sind ebenfalls Stressoren ausgesetzt – etwa Schädlingen, Hitze, Dürre, Umweltgiften oder reaktivem Sauerstoff – und reagieren darauf gemäß Selyes „Allgemeinem Anpassungssyndrom“: zuerst mit einem Schock (Alarm), dann folgt eine Widerstandsphase, die bei anhaltender Belastung in Erschöpfung mündet.

Kranner erforscht die Auswirkungen von Umweltstress auf Pflanzen seit vielen Jahren: In ihrer Studentenzeit z.B. hat sie sich mit Flechten beschäftigt, nun sind Samen an der Reihe (siehe Artikel links). Vor drei Jahren fasste sie ihre Überlegungen in einem Artikel zusammen (New Phytologist 188, S. 655), der seither häufig zitiert wird.

Sie argumentiert, dass es so wie beim Menschen „guten“ und „bösen“ Stress gibt – also Eustress und Disstress. „Wenn ein Same bei der Reifung austrocknet, dann ist das auf zellulärer Ebene ein Stress, aber es ist ein Eustress: Die Pflanze initiiert als Reaktion darauf Schutzmechanismen“, erklärt Kranner. Ob ein Stressor „gut“ oder „böse“ ist, hängt auch vom Lebenszyklus der Pflanze ab: Trockenheit bewirkt etwa in der Mutterpflanze schwere Probleme, bei der Samenreifung sorgt sie hingegen dafür, dass viele Samen hart werden (was sie u.a. vor Fressfeinden schützt, die ansonsten gasförmige Stoffwechselprodukte riechen würden).

Auch die in allen Lebewesen stets gebildeten reaktiven Sauerstoff- oder Stickstoffmoleküle sind nicht nur „böse“ (weil sie wichtige Moleküle schädigen): Diese Substanzen sind auch Teil der Signalkette in den Zellen – ohne diese Stressoren könnten die Zellen also nicht überleben. Es komme auf die Dosis an, so Kranner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Wieso die Welt ein wenig besser geworden ist

„Good news“: PKK-Kämpfer ziehen sich zurück, immer mehr Kinder können lesen und schreiben, Japan boomt wieder – und Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat verhindert, dass in Liberia wieder die Gewalt herrscht.
Österreich

Die guten Menschen von Lavamünd

Ende 2012 überschwemmte die Drau Lavamünd. Was folgte, war eine nie gekannte Hilfsbereitschaft,die weit über die Gemeinde hinausging.
Salon

Die drei Leben des Johannes K.

Mit 14 rutschte er in die rechtsradikale Szene ab, mit 17 tötete er einen Mann. Nach seiner Haft begann er geläutert ein Theologiestudium. Jetzt will Johannes Kneifel Pastor werden.
Motorsport

Fast 1000 Wochen Sicherheit

Seit 1. Mai 1994 hat die Formel 1 kein Todesopfer mehr zu beklagen. Der Entwicklung seit dem Unfall von Ayrton Senna sei Dank.
Österreich

Weltmarktführer: "Der Wirbelbruch hat sein müssen"

Ein schwerer Unfall öffnete Luis Schwarzenberger die Augen - und den Weg zum Erfolg. Inspiriert von seiner eigenen Heilung dank Wärme entwickelte der Tiroler Infrarotkabinen für alle. Heute dominiert seine Firma Physiothermden Weltmarkt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.