Zuerst sprach sich der deutsche Volkswirt Jörg Asmussen gegen die jüngste Zinssenkung aus. Jetzt lehnt der Luxemburger Yves Mersch einem Medienbericht zufolge jede weitere Lockerung der Geldpolitik ausdrücklich ab.
Im EZB-Direktorium wächst offenbar der Widerstand gegen weitere Hilfsmaßnahmen für die Euro-Krisenländer. Nachdem sich erst kürzlich Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen gegen die jüngste Zinssenkung der Zentralbank ausgesprochen hat, geht nun auch Yves Mersch auf Distanz, wie die "Welt" unter Berufung auf Notenbankkreise berichtet. Mersch lehne neue unkonventionelle Maßnahmen der EZB abseits der klassischen Zinspolitik ausdrücklich ab, heißt es in dem Bericht. Er sei nicht nur gegen den Aufkauf strukturierter Wertpapiere (ABS) zur Entlastung der Bankbilanzen. Er lehne auch eine weitere Aufweichung des Sicherheitenrahmens für die Banken ab.
Weidmann im Vorjahr einziger "Querulant"
Ob Draghi tatsächliche weitere Maßnahmen ergreifen will, ist noch unklar - ausschließen will er nichts. Die Unruhe im Direktorium schwächt jedenfalls seine Position. Vor einem Jahr war die Situation noch eine andere: Als Draghi das Programm zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen lancierte, mit dem er die Finanzmärkte beruhigte, stand das gesamte Direktorium hinter ihm. Einizig der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stellte sich dagegen - lange blieb er der einzige "Querulant". Immer wieder warnte er vor einer "Erpressung" der Zentralbank durch die Krisenländer ("Die Presse" berichtete).
Mittlerweile ist die Euphorie über die EZB-Rettungsmaßnahmen längst verflogen. Wie die "Welt" schreibt, bekommen gerade kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa nach wie vor keine Kredite oder müssen sehr hohe Zinsen zahlen. Das wirkt sich widerum negativ auf die Arbeitslosenquote aus.
Leitzins auf Rekordtief
Erst Anfang Mai hatte die EZB deshalb den Leitzinssatz auf ein neues Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt und eine weitere Zinssenkung nicht ausgeschlossen. In Deutschland protestierten Banken und Versicherungen dagegen. Denn: "Jeder Zinsschnitt nach unten lässt die Sparguthaben schmelzen" (>>> mehr dazu).
EZB-Direktorium
Das sechsköpfige Direktorium führt die Geschäfte der EZB und setzt die Beschlüsse der Euro-Notenbanker um. Gewählt wird es vom Europäischen Rat. Präsident ist seit 2011 der Italiener Mario Draghi. Die weiteren Mitglieder: Vítor Constâncio (Portugal, Vizepräsident), Jörg Asmussen (Deutschland), Peter Praet (Belgien, Chefvolkswirt) , Benoît Cœuré (Frankreich) und Yves Mersch (Luxemburg).
(Red./APA/Reuters)