Iran: Pretty in Teheran

Iran: Pretty in Teheran
Iran: Pretty in Teheran (c) EPA (Abedin Taherkenareh)
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Erdöl, Pistazien, Politik - den Iran kennt man meist nur aus den Medien. Doch das Land ist, kurz gesagt, ziemlich großartig. Trotz allem und deswegen.

Das mit dem Sex kommt irgendwie unerwartet. Wir sind am üppig grünen Ufer des Zayandeh Rud, des Flusses, der die Oasenstadt Isfahan belebt und teilt. Rund um die 33-Bogen-Brücke  aus dem 17. Jahrhundert, die am kühlen Abend in wärmendem Orange-Licht leuchtet, ist eine Parklandschaft angelegt. Es sind viele Leute unterwegs, sie spazieren, reden, sitzen auf Bänken -vermutlich in Ermangelung von Alternativen: Nachtlokale oder Bars gibt es hier nicht, die beliebten Teehäuser, in denen Männer und Frauen miteinander Wasserpeife rauchen, wurden zuletzt immer öfter geschlossen. Und einfach so hat der junge Student die Touristengruppe plötzlich angesprochen. Woher wir kommen, was wir machen, fragt er in sehr gutem Englisch, um dann übergangslos fortzusetzen: Dass er eine Freundin habe, dass sie natürlich Sex hätten, auch wenn das für unverheiratete Paare verboten sei, und dass er irgendwann, also bald, den Iran verlassen möchte. Dann verabschiedet er sich. Sehr höflich.

Immer freundlich.
Als Tourist wird man im Iran öfter spontan angesprochen, immer freundlich, korrekt, ganz ohne Verkaufs- oder sonstige Absichten. Junge, aber auch Alte wollen einfach kurz etwas erzählen: über sich   wenn auch nicht immer gleich so Intimes - oder über ihre Stadt. Manche wollen wohl in erster Linie Englisch üben, öfter hat man aber das Gefühl: Man will zeigen, dass man anders ist, anders, als die Ausländer Iraner sehen. Aber wie sehen wir sie eigentlich? Tatsächlich existiert der Iran für viele in erster Linie in Schlagwortkategorien: Da ist die 1979er-Revolution, die schöne, kosmopolitische Schah-Gattin Soraya, da sind die Drohrhetorik des (Noch-)Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad gegen Israel und der Konflikt um das Atomprogramm, das Embargo. Und sonst? Erdöl und Pistazien? Darüber, wie sich der Iran anfühlt und die fast 80 Millionen Iraner leben, sagt all das relativ wenig.

Das macht banale Kleinigkeiten umso spannender, sie machen das unnahbare Land ein wenig intimer. Wie etwa der Umstand, dass Iraner Witze erzählen, die mit "Kommt ein Türke nach Teheran" beginnen - die türkische Minderheit hat diesbezüglich einen ähnlich undankbaren Status wie die Burgenländer in Österreich. Oder dass Iraner weiße Autos lieben. Von zehn Autos sind geschätzte neun weiß. Früher waren sie sogar angeblich ein bisschen teurer. Woher die Vorliebe kommt? Vielleicht weil es gut zu den weißen Rosen passt, die auf den breiten Mittelstreifen verschwenderisch blühen - gleich neben den vergilbten Plakaten der Soldaten, die im Iran-Irak-Krieg gefallen sind. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man weiße Wagen besser sieht. Die Verkehrssituation in den iranischen Großstädten ist bisweilen einschüchternd. Vor allem, wenn man Fußgänger und nicht sehr schnell ist.

Auch Frausein ist bei einer beherzten Straßenquerung nicht immer von Vorteil. Denn das gesetzlich vorgeschriebene Kopftuch (Hijab) schränkt das Gesichtsfeld ein, insbesondere, wenn man es in der unschönen, aber praktischen Touristen-Kombi mit Sonnenbrille und Baseballkappe trägt. Nur 150 Gramm wiegt so ein Kopftuch in etwa, das symbolische Gewicht drückt aber merkbar. Seit dem Moment der Flugzeuglandung, in dem alle weiblichen Passagiere in einer stummen Verabredung simultan ihre Halstücher zum Schleier umfunktionierten, sind wir alle nicht mehr "blond", sondern "getupft", nicht mehr "lockig", sondern "blau meliert". Die Iranerinnen selbst sind meist "mattschwarz", sie tragen oft nach wie vor den Tschador. Wobei "Verhüllen" relativ ist: Vor allem junge Frauen lassen mitunter Strähnen ihrer kunstvollen Haartürme nach vorn baumeln. Weil sich hier alles, zumindest in der Öffentlichkeit, auf das Gesicht konzentriert, wird darauf viel Wert gelegt. Viele iranische Frauen tragen - obwohl ohnehin sehr schön - ein weißes OP-Pflaster auf der Nase. Und auch manche Männer.

Schönheit ist hier eben wichtig. Auch sprachlich. Der Iran ist das Land der Lyrik, Zentrum des für Europäer ungewohnt Blumigen ist Shiraz. Hier stehen die pittoresken Stadtpaläste und die Mausoleen zweier berühmter Dichter: Sa'di und Hafis, mit dem sich auch Goethe intensiv beschäftigt hat. Hafis  Poesie ist - nennen wir es, "irdisch": Es geht um den Rausch, die Liebe. Sein hübsch gelegenes Grabmal gilt deshalb als Magnet für Menschen, die Liebesangelegenheiten auf dem Herzen haben. Beliebt ist Hafis auch als Heimorakel: Man stellt eine Frage und öffnet dazu spontan einen Gedichtband. Aus der Interpretation des aufgeschlagenen Verses leitet sich mit etwas Fantasie die gewünschte Antwort ab. Vor dem Eingang zum Grabmal hat sich dazu passend ein origineller Geschäftszweig entwickelt: Ein Wellensittich spielt Schicksal und zieht Kärtchen mit Hafis-Versen. Allzu viel Geschäft macht der Vogel aber nicht. Touristen trifft man im Iran derzeit in überschaubaren Maßen. Was für die Wirtschaft schlecht ist, hat für den Besucher Vorteile. Etwa in Persepolis. An der Ausgrabungsstätte zwischen Shiraz und Isfahan müssten sich normalerweise Besucher in dichten Kolonnen drängen. Die riesige Palastanlage wurde von 515 v. Chr. von Darius, dem Großen initiiert. Vermutlich wurde sie fast ausschließlich fürs persische Neujahrsfest genutzt: Vertreter aller Völker des damaligen achämenidischen Reiches durften zu diesem Anlass dem Herrscher Geschenke überreichen und sich dabei durch die überirdische Inszenierung einschüchtern zu lassen. Viel später, 1971, feierte der damalige Schah Mohammad Reza Pahlavi das 2500-Jahre-Jubiläum der iranischen Monarchie mit einem verschwenderischen Fest. Die imperiale Pomp hat ihm kein Glück gebracht. Aber die Wahl des Ortes ist verständlich: Auch Jahrhunderte nach der Zerstörung durch Alexander den Großen und sogar unter der unbarmherzigen Mittagssonne ist Persepolis beeindruckend. Das gilt auch für die nicht weit entfernten königlichen Felsengräber von Naqsh-e Rostam. In die senkrechte Felswand gebettet lagen hier einst Darius, Xerxes, Artaxerxes II. und Darius II. Touristen? Kann man an zwei Händen abzählen.

Mehr los ist in Isfahan. Die Stadt gilt als schönste des Landes und sie hat dafür gute Argumente. Die meisten davon findet man auf dem riesigen Imam-Platz. Er erinnert mit seinen Wasserspielen an den Louvre-Vorplatz. Und  an die Wiener Innenstadt: Auch hier kann man mit Pferdekutschen seine Runden drehen. Hier hat man auch zwei der berühmtesten Moscheen im Blick: die Freitags-Moschee und die Lotfollah-Moschee, ursprünglich eine Privatmoschee der Herrscherfamilie. Erstere wurde so gebaut, dass man sie queren musste, wenn man von einem Stadtviertel ins andere wollte. Die Erwartung war: Wer hier oft genug durchgeht, bekennt sich irgendwann zum Islam. Tatsächlich beeindruckt der Ort: Kuppeln, die sich scharf gegen den ewig blauen Himmel abzeichnen, kühle vielfarbige Kacheln, Weite, Stille.

Echter Espresso! Doch Applaus für die Ästhetik reicht den Geistlichen nicht. Ein Besuch in der Koranschule macht das klar. Der Vortrag von Dozent Ajatollah Seyed Mahdi Hor: eher ein Missionierungsversuch. Wie man Christ sein könne, wenn es mit dem Islam doch die perfekte Religion gebe,  fragt er. Ein Koranstudent bannt irritierte Gesichter auf sein Smartphone-Video. Doch gibt es durchaus auch andere Religionen im Iran - Isfahan hat ein armenisches Viertel mit einer alten Kirche. Allerdings erkennt man sie erst auf den zweiten Blick, wenn man das winzige Kreuz auf der Kuppel ausgemacht hat. Das Viertel ist einen Besuch wert, denn hier gibt es, was man sonst selten findet: Espresso statt Instantkaffee.

Exzellenten Tee mit grellgelbem Safranzucker gibt es im Iran hingegen überall. In großen Mengen kauft man ihn am besten auf dem Basar. Der größte befindet sich in der Hauptstadt Teheran. Hier geht es nicht um schlendernde Touristen, sondern um echten (Groß-)Handel. In der Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt mit dem schneeigen Bergpanorama ist man näher dran am iranischen Alltag als im schönen Isfahan. Hier sind die großen Unis, die Jugendlichen, die im Teehaus offen miteinander flirten, und die es mitunter satthaben: die Inflation (mit 30 Euro ist man hier Rial-Millionär), die hohe Arbeitslosigkeit, die lähmende Bürokratie und den Staat, der ins ganz Private hineinregiert. Vor der deutschen Botschaft steht eine Schlange von jungen Männern, die ausreisen möchten.
Dass sich nach den Wahlen am 14. Juni etwas wesentlich ändert, glauben sie offenbar nicht. In Teheran findet man auch die konservierten Spuren des Schah-Regimes. Im Hochsicherheitsjuwelenmuseum steht der Pfauenthron, und in den Palästen die Zeit still. Musealer Luxusmix aus Europa und die typisch persischen Spiegelverzierungen, die sich mit den Marmorböden ein Lichtreflex-Pingpong-Spiel liefern. Reichtum war im Iran immer da, nur richtig angekommen bei allen ist er nie, bis heute. Die Vermögenden wohnen im höher gelegenen Norden Teherans. Dort ist die Luft besser, dort beginnt die legere Ausgehzone. Standler säumen die Gassen und verkaufen Maulbeerkompott und frische, salzige Walnüsse. Hier oben merkt man, wie kühl Teheraner Nächte sind. Damit man nicht friert, bekommt man im Restaurant Gas-Heizschwammerln zur Seite. Nicht kleine, wie in Wien oder Berlin. Riesige. Über Energieverbrauch debattiert man im Iran nicht. Im Gegenteil: Wer jammert, ihm sei kalt, dem wird sofort Feuer gemacht: mit einer offenen Gasflamme, die unterm Tisch Schuhspitzen und die ganze eiserne Tischplatte wärmt. Großartig, aber irgendwie irritierend. Wie der Iran an sich. 

TIPP

Bunt. Auf dem Basar in Isfahan oder Teheran gibt s Gewürze in Regenbogenfarben und zu Billigstpreisen. Als Mitbringsel eignen sich Safran, Kurkuma (Bild) oder Berberitzen (für den Reis). Kalorienarm. Smoothie, gepresst: angenehm saure Fruchtplatten z. B. mit Apfel und Granatapfel.
Klassisch. Pistazien. Schmecken besser als daheim aus dem Supermarkt.
Grün. Schal von Etro in der Farbe des Propheten. www.etro.com

Tipps fürs Teetrinken: Gemütlich sitzt man im "Iranian Traditional Restaurant" , Keshavars Blvd. 28 in Teheran. Als Outdoor-Variante für Isfahan empfiehlt sich ein Tee auf dem Diwan im Innenhof des Isfahan-Hotels (www.isfahanhotel.com).
Angeboten werden Iran-Reisen u. a von Geo Reisen, auf dessen Einladung diese Reise erfolgte. Nächster Termin: 18. 26. 10. Reiseverlauf (ab Wien oder München): Shiraz Persepolis Naqsh-e Rostam Shiraz Pasargad Yazd Nain Isfahan Teheran. Preis inkl. Flug, Mittelklassehotels mit HP, Reiseleitung, Eintritten, Reisebus: 1150 Euro p. P./DZ; www.georeisen.com

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