Bei Flüchtlingsansturm darf Schengen dicht machen

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reformiert Schengen Fluechtlingsansturm Grenzen(c) EPA (ROBERT GHEMENT)
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Die Schengen-Reform gibt den Staaten die Möglichkeit, bei einem massivem Flüchtlingsansturm maximal zwei Jahre lang Grenzkontrollen einzuführen. Sie müssen dabei aber einem neuen Mechanismus folgen.

Die EU-Staaten im grenzkontrollfreien Schengen-Raum haben künftig erstmals die Möglichkeit, bei einem massivem Flüchtlingsansturm maximal zwei Jahre lang die Grenzen dicht zu machen. Sie müssen dabei aber einem neu geschaffenen europäischen Mechanismus folgen, welcher der EU-Kommission und dem EU-Innenministerrat ein Mitspracherecht gibt. Dies ist das Ergebnis der Verhandlungen über die Schengen-Reform, auf die sich die EU-Institutionen geeinigt haben.

Die Reform geht auf einen Auftrag der europäischen Staats- und Regierungschefs zurück. 2011 forderte ein EU-Gipfel nach einem französisch-italienischen Streit über den Umgang von Flüchtlingen aus Nordafrika, zu klären, in welchen Fällen das Schengen-Abkommen außer Kraft gesetzt werden kann. Viele EU-Staaten verlangten dabei mehr Flexibilität, aber auch einen Schutz vor Missbrauch durch Populisten.

Derzeit können die Schengen-Länder nur unter außergewöhnlichen Umständen und in dringenden Fällen, in denen ein Staat seine öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit bedroht sieht, die Grenzen wieder hochziehen. Dazu zählen große Sportveranstaltungen, internationale Konferenzen oder auch Terroranschläge.

Die Grenzkontrollen mussten bisher bei der EU-Kommission angemeldet und von Brüssel auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Dies bleibt auch in Zukunft so, allerdings dürfen die Kontrollen nach der neuen Regelung nicht länger als sechs Monaten dauern.

Bloßer Migrationsdruck nicht ausreichend

Neu dazu kommt nun eine weitere Möglichkeit: Die Schengen-Länder sollen auch auf wirklich kritische Situationen reagieren können, in denen die Sicherheit der gesamten Schengenzone bedroht wäre, wenn interne Grenzkontrollen nicht wieder eingeführt würden. Bloßer Migrationsdruck wäre nicht ausreichend, sagte ein Kommissionsbeamter. Es müsste schon die gesamte Schengenzone betroffen sein, und auch ernste Mängel beim Schutz der Außengrenze vorliegen. Die Rede ist von wirklich außergewöhnlichen Katastrophen, etwa einem grenznahen Reaktorunfall in Osteuropa mit einem massivem Flüchtlingsansturm auf die EU.

Im Fall Griechenlands, das nach Auffassung von Brüssel seit Jahren zu wenig beim Schutz der EU-Außengrenze tut, werde die Kommission nicht für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in anderen EU-Staaten eintreten, hieß es in der EU-Behörde.

Um einen möglichen Missbrauch durch populistische Politiker zu verhindern, soll dies aber unter Mitsprache der EU-Partner erfolgen. So ist allen noch in Erinnerung, dass die damalige dänische Regierung 2011 vor Wahlen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, genauer gesagt Zollkontrollen, zumindest für kurze Zeit auf den Weg gebracht hatte.

Verlängerung auf bis zu zwei Jahre möglich

Der Rat der Innenminister soll auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission eine Empfehlung darüber abgeben, ob die Grenzen dicht gemacht werden dürfen und für wie lange. Die übliche Dauer wäre sechs Monate, auf bis zu zwei Jahre könnte verlängert werden, wenn darüber jedes Mal in Brüssel mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Innenminister abgestimmt würde.

Die EU-Kommission sieht dies als eine "kopernikanische Wende" im Streit um Schengen, weil sie und andere EU-Staaten künftig erstmals ein Mitspracherecht haben. "Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer europäischeren und besser funktionierenden Schengenzone zum Wohle der europäischen Bürger", sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Hält sich ein Land nicht an die Empfehlungen, müsste sich das Land vor allen anderen rechtfertigen, heißt es in der Kommission. Dort geht man aber davon aus, dass es durch den politischen Gruppendruck gar nicht zu Alleingängen kommen würden.

Die Reform soll kommenden Freitag von den EU-Innenministern und im September vom EU-Parlament endgültig beschlossen werden. Spätestens im Herbst 2014 könnten dann alle Neuregelungen in Kraft sein.

(APA)

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