In der Gesundheitspolitik sind die Patienten zweitrangig

Gesundheitspolitik sind Patienten zweitrangig
Gesundheitspolitik sind Patienten zweitrangig(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Im Ringkampf ums Geld zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung wurde auch jetzt wieder auf die Anliegen von Kranken und Versicherten vergessen.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) ist ein politischer Unglücksrabe. Zu einem wesentlichen Teil ist er selbst daran schuld, weil er es als Ressortchef in fünf Jahren nicht verstanden hat, erzielte Teilerfolge entsprechend für sich zu verbuchen. Erst vor einem Monat ist vom Nationalrat ein Gesundheitspaket beschlossen worden. Das Wort Reform kommt Regierungen und Ministern ja schnell über die Lippen. Aber Stöger konnte immerhin nach langer Kraftprobe mit den Ländern eine Trendwende erreichen: So wird der rasante Anstieg der Kosten gebremst, bis 2016 wird er um immerhin 3,4 Milliarden Euro geringer sein als bisher geplant. Weiters werden – Achtung: Sensation! – Planungen im Gesundheitswesen gemeinsam von Bund, Sozialversicherung und Ländern erfolgen. Das ist mehr, als viele seiner Vorgänger(innen) im Ministeramt je geschafft haben.

Aber dieses Werk des Oberösterreichers und Ex-Gebietskrankenkassenobmanns wurde nicht einmal von seiner Landes-SPÖ honoriert. Sonst hätte Stöger in Linz auf der Landesliste für die Nationalratswahl einen sicheren Platz bekommen. Stattdessen wurde einem bundesweit fast unbekannten Metallersekretär der Vorzug gegeben. Wenn nicht einmal die eigenen Parteigenossen die Arbeit des Gesundheitsministers zu schätzen wissen, warum sollen es dann Patienten und Krankenversicherte tun?


Die Betroffenen des Gesundheitswesens haben zu Recht den Eindruck, dass sie bei dem, was da von Bund, Ländern und Sozialversicherung ausgehandelt wurde, zweitrangig sind. Zuerst kommt das Geld, nämlich die Aufteilung der von Versicherten und Steuerzahlern aufgebrachten Mittel. Ein Machtkampf um Einfluss und Interessen, bei dem Landespolitiker, getrieben von Kommunalpolitikern, gern die Muskeln gegenüber Sozialversicherungsbossen und einem kompetenzarmen Gesundheitsminister spielen lassen. Dabei wurde zwar mit dem Dämpfen der Kosten mehr erzielt, als zu befürchten war. Und von Kaputtsparen und oder vom „Leichentuch“, das Ärztekammer und Opposition sehen, kann nicht die Rede sein. Aber die Chance, Patientenanliegen stärker zu berücksichtigen, wurde erneut vertan.

Eine neue Forschungsarbeit (siehe Seite 1) zeigt, dass offenkundig schon bisher die Patienten und ihr tatsächlicher Krankheitszustand nicht immer an allererster Stelle im Krankenhausalltag standen. Vielmehr, so lässt sich aus dieser Untersuchung ableiten, ging es vorrangig darum, teure, leer stehende Akutbetten zu füllen. Deren Zahl wurde inzwischen zugunsten von mehr Pflegebetten reduziert, so weit reichte die Lernfähigkeit bereits. Aber auch das seither gültige Abrechnungssystem je nach erbrachter Leistung verleitet augenscheinlich dazu, dass bestimmte Operationen und Leistungen besonders häufig vorgenommen werden, weil es dafür Geld gibt.

Selbstverständlich ist ausdrücklich festzuhalten: Österreichs Gesundheitssystem bietet trotz solcher systemischer Krankheitssymptome im internationalen Vergleich eine hervorragende Versorgung. Es besteht die Möglichkeit zu Operationen, die Kranken in anderen hochzivilisierten Ländern verwehrt bleiben oder Betroffene finanziell in den Ruin stürzen. Dennoch bleibt hierorts der schale Beigeschmack, Patienten und Versicherte seien nur Spielfiguren im Match der Interessenvertretungen.


Wiener müssen sich etwa längst gefoppt fühlen, wenn die Regierung „ihre“ Gesundheitsreform feiert, aber gleichzeitig hören sie nach x Jahren immer noch dieselben Versprechen von offenen Ordinationen praktischer Ärzte auch am Wochenende. Ganz zu schweigen von der schier ewigen Leier vom Umlenken von Patienten von den Krankenhäusern in Arztpraxen. Die langen Wartezeiten in Spitalsambulanzen sind der beste Gegenbeweis.

Viele Versicherte sehen zu Recht nicht ein, dass sie zwar bundesweit gleich hohe Krankenbeiträge zahlen müssen, das von der Kasse abgegoltene Leistungsspektrum von Bundesland zu Bundesland dann aber doch wieder Unterschiede schafft. Ein Arbeitslosenschicksal braucht also ein Gesundheitsminister bestimmt nicht fürchten – auch wenn er nach der Wahl nicht mehr Stöger heißen wird.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2013)

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