Gesundheitsreform: Ein Sparplan, in dem nicht steht, wo gespart wird

Oben bleiben die aufgeblähten Verwaltungsstrukturen, unten werden die Leistungen für Patienten zusammengestrichen.

Pantaleon, Cosmas und Damian sind die Schutzheiligen des Ärztestandes, Sankt Rochus jener der Kranken. Bei der nicht enden wollenden Gesundheitsreformdiskussion haben sich alle vier vertreten lassen.

Vorweg: Heilige sind eine Seltenheit, besonders im Gesundheitswesen. Begegnet man einmal einem, ist es verlässlich der falsche Nothelfer zur falschen Zeit am falschen Ort. Anfang März etwa, als mit unüberhörbaren Fanfaren die Spitzen der Regierung das Produkt eines gefühlt einhundertjährigenDiskussionsprozesses präsentierten, die große, endgültige Gesundheitsreform – wer hielt da Wache über den Geist der schwachen Menschen?

Weder Thomas Morus noch Jeanne d'Arc, die Schutzpatrone der Politik, noch die dringlich erforderlichen 14 Nothelfer scheinen zur Stelle gewesen zu sein. Und speziell die eingangs erwähnten Schutzheiligen der Ärzte und ihrer Patienten glänzten durch Abwesenheit.

Einzig ein weiland pensionierter Beamter aus der Provinz hat sich aufgerafft, der Diskussion zu folgen. Unsichtbar schwebte er über den Konferenztischen, wenn auch der Mühlstein, den er seit 1700 Jahren mit sich schleppt, die Flughöhe spürbar beschränkte. Brachte er Kompetenz mit? In gewisser Weise ja.

„...zünde andere Häuser an“

Der heilige Florian von Lorch ist immerhin sowohl der Schutzpatron der Feuerwehr als auch der Seifensieder. Sein segensreiches Wirken spiegelt sich im Stoßgebet: „Heiler Sankt Florian, schütz unser Haus, zünde andere an.“

Nach ungezählten Anläufen, wütenden Protesten, gnadenlosen Ultimaten und daraufhin wiederum ergebnislos verstrichenen Fristen scheinen sich die vertretenen Ministerien, Landesregierungen, Spitalsbetreiber, Standesvertretungen, Sozialversicherungen und Krankenkassen auf genau diesen Text geeinigt zu haben. Denn bei näherer Betrachtung des stolzen Reformwerkes wird offenbar, dass ein wesentliches Detail fehlt. Zwar: Die Reform bringt ein revolutionäres Maß an Transparenz. Stolz spricht der Gesundheitsminister vom Fokus auf Ergebnisqualität. Naive applaudieren.

Es geht vor allem um eines: Geld

Gelernte Österreicher überschlagen derweil im Kopf, was die massenweise Abfassung von Qualitätsberichten durch Krankenhäuser an neuem Verwaltungsaufwand produzieren wird und schütteln seufzend den Kopf.

Aber dabei lassen es unsere Reformer nicht bewenden, denn vor allem geht es ja ums Geld: 1,5Milliarden Euro soll die Gesundheitsreform einsparen. Ein wesentlicher Schritt zur künftigen Finanzierbarkeit des heimischen Gesundheitswesens scheint getan.

Doch halt! Wir sehen näher hin. Suchen die Stellen, an denen Verwaltungsmoloche verschlankt, Prozesse optimiert und millionenteure Doppelgleisigkeiten mit einem Federstrich beseitigt werden. Wir suchen und suchen und stellen schließlich fest, dass im Reformpapier nicht steht, wo gespart wird, sondern einzig, wie: „durch partnerschaftliche Planung der Leistungen im Gesundheitsbereich durch Bund, Länder und Sozialversicherung.“

Ja, aber – das heißt doch in der Praxis , dass oben die aufgeblähten Strukturen bleiben, während unten auf Kosten der Patienten Leistungen zusammengestrichen werden! „Ich weiß, ich weiß“, sagt daraufhin der heilige Florian müde und poliert resigniert einen Rostfleck aus seinem Brustharnisch. „Aber dagegen war nichts zu machen. Ich war ja mein Leben lang selbst Beamter?“

Prim. Dr. Walter Ebm (*1951 ), Internist, CEO der Wiener Privatklinik Holding AG. Von 1985 bis 2012 war er Finanzreferent der Wiener Ärztekammer.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2013)

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