Die Zukunft der Fotografie

Zukunft Fotografie
Zukunft Fotografie(c) Lytro
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Neue Technologien wie Lichtfelder und Methoden der "computational photography" werden das Aufnehmen von Bildern revolutionieren.

Egal ob herkömmlich mit Film oder digital: Das Ziel der Fotografie war immer, die dreidimensionale Welt auf einer Fläche in zwei Dimensionen festzuhalten. Dazu werden jene Lichtstrahlen, die von einem Objekt ausgehen, durch Linsen gebündelt und auf den Film oder ein Sensor-Array projiziert. Dabei gehen freilich viele Informationen über die zugrunde liegende Realität verloren – v.a. die Tiefenwirkung (die nur durch aufwendige 3-D-Verfahren „zurückerobert“ werden kann).

Mit einer völlig neuen Technologie, die in den Startlöchern steht, ist das grundlegend anders: Sogenannte Lichtfelder enthalten nicht nur Informationen über die räumliche Lage der „Pixel“, sondern auch, woher die Lichtstrahlen kommen. Vollständig beschrieben werden sie durch die „plenoptische Funktion“, die drei Raumdimensionen und zwei Winkel der einfallenden Lichtstrahlen enthält. Eine vierdimensionale Untermenge davon sind Lichtfelder. Diese können mit speziellen Kameras eingefangen werden. Etwa jener, die Lytro – ein Spin-off der Stanford University – im Vorjahr auf den US-Markt gebracht hat.


Schärfe und Blickwinkel. Das Spannende dabei: Man kann die in den Bildern enthaltene Information nachträglich bearbeiten. So kann man am Computer etwa die Schärfeebene verstellen (siehe Fotos oben), man kann aber auch ein Bild berechnen, das überall scharf ist. Aus den Lichtfelddaten lassen sich viele Details des fotografierten Objekts rekonstruieren, so kann man z.B. nachträglich den Standort und Blickwinkel verändern.

Diesen Vorteil erkauft man sich aber teuer: Erstens fallen dabei millionenfach größere Datenmengen an, und zweitens können die Bilder nur mit speziellen Algorithmen bearbeitet werden. Von den unzähligen Möglichkeiten gängiger Bildbearbeitungsprogramme – etwa Ausschnitte oder Farbkorrekturen – ist man bei der Lichtfeldfotografie noch meilenweit entfernt. Weltweit arbeiten Forscher mit Hochdruck an solchen Algorithmen. An der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz z.B. entwickelt Oliver Bimber in einem FWF-Projekt Werkzeuge, um Lichtfeld-Panoramaaufnahmen zu berechnen. „Unserer Meinung nach spielen multiperspektivische Aufnahmen und Darstellungen eine große Rolle in der nahen bis mittelfristigen Zukunft von digitalen Kameras und Bildschirmen“, so Bimber. Denn das Prinzip von Lichtfeldern lässt sich auch umdrehen, man kann mit entsprechenden Rechenmethoden auch 3-D-Darstellungen erstellen – ohne aufwendige Hilfsmittel.

Der Forschungszweig, in dem die Fotografie durch neue Aufnahme- und Berechnungsmethoden erweitert wird, nennt sich „computational photography“. Forscher denken sich derzeit die unglaublichsten Anwendungen aus. So ist es z.B. möglich, mit herkömmlichen Kameras extrem hochauflösende Fotos zu machen. Dabei werden mehrere Bilder mit minimal verschobener Kameraposition gemacht, ein daraus errechnetes Bild zeigt Details, die ansonsten nur mit einer riesigen Kamera sichtbar wären.


Um die Ecke schauen. Eine andere Idee betrifft verwischte Bilder: Wenn z.B. ein Auto bei schlechten Lichtverhältnissen fotografiert wird, dann ist es verwischt, man kann keine Details erkennen. Forscher konnten die Bewegungsunschärfe mit einem gefinkelten Trick „herausfiltern“: Sie haben kurz hintereinander mehrere Bilder mit unterschiedlich langen Belichtungszeiten aufgenommen und rekonstruierten per Computer daraus ein Bild, auf dem das Auto scharf zu sehen ist.

Dass solche Algorithmen in einigen Jahren in Kameras eingebaut sind, ist ziemlich wahrscheinlich. So wie heute selbst Billigkameras schon Panoramabilder aus mehreren Aufnahmen zusammenstückeln oder Bilder von kontrastreichen Motiven aus mehreren Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung zusammenbauen können.

Am MIT Media Lab arbeitet eine Gruppe um den Forscherjungstar Ramesh Raskar an einer Methode, mit der man buchstäblich um die Ecke schauen kann – etwa in ein Zimmer, dessen Tür halb offen steht. Das funktioniert so: Ein ultrakurzer Laserblitz wird über die Tür in den Raum hineinreflektiert; dort trifft er auf Gegenstände, die die Photonen ihrerseits zurückwerfen, über die Tür gelangen sie schließlich zu einer Spezialkamera. Diese muss extrem lichtempfindlich sein, um die wenigen Photonen, die von der langen Reise zurückkommen, zu registrieren. Damit die Bilder nicht in der umgebenden Lichtflut untergehen, muss die Belichtungszeit extrem kurz und exakt auf den Laserblitz und die Laufzeit des Lichts abgestimmt sein. „Wir stehen erst am Anfang, die Qualität dieser Bilder ist noch schlecht – wie bei Fotografien vor 150 Jahren“, erzählte Raskar bei seinem jüngsten Wien-Besuch.

Voraussetzung für solche Technologien ist eine Weiterentwicklung der Hardware. Neuartige Sensoren auf Basis des 2004 gefundenen Materials Graphen (ein flaches Kohlenstoffgitter) könnten die Lichtempfindlichkeit tausendfach erhöhen. Die Technische Universität Nanyang (China) meldete kürzlich einen Durchbruch: Forscher um Wang Qijie entwickelten in zweijähriger Arbeit Sensoren, die nicht nur mehr Licht einfangen, sondern dabei auch weniger Strom verbrauchen und deutlich weniger kosten als der aktuelle Stand der Technik.


Farben hören. Digitale Kameras lassen sich aber auch für ganz andere Zwecke nutzen. Ein verblüffendes Beispiel: Seit 2003 trägt der britische Künstler Neil Harbisson eine Kamera, die mit einem in seinem Schädel implantierten Chip verbunden ist. Damit kann Harbisson, der von Geburt an die Welt nur in Grautönen wahrnimmt, Farben hören. Kamera und Software erkennen das Farbspektrum eines Objekts in seinem Sichtfeld und generieren einen Ton. Rot ist ein F, Blau ein Cis. Inzwischen hat der „Eyeborg“ sein Farb- bzw. Tonspektrum um Infrarot und Ultraviolett erweitert. Letzteres helfe ihm, Sonnenbrand vorzubeugen, sagt er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2013)

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