Per Schnappschuss in die Schlagzeilen

(c) AP (MUHAMMED MUHEISEN)
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Ist das Handy ein ernsthafter Konkurrent für professionelle Pressefotografie? Nein, glaubt APA-Chefredakteur Michael Lang. In den USA gibt es aber erste Opfer: Die "Chicago Sun-Times" hat alle 28Fotografen entlassen.

Die Handykamera hat den Fotojournalismus stark beeinflusst. Ein Bild als Erster zu haben ist heute meist wichtiger, als es qualitativ richtig zu haben“, sagt Kenny Irby vom Poynter Institute in St.Petersburg in Florida im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Das Poynter Institute ist eine der besten Adressen für die Ausbildung von Journalisten in den USA, Irby hat dort 1995 ein Programm für Fotojournalismus eingerichtet, 2007 saß er in der Jury des Pulitzer-Preises.

Gerade wenn etwas unerwartet passiert, sind es jene, die rasch ihr Mobiltelefon zücken, die die Nachricht schneller als jeder (Foto-)Reporter in die Welt hinaus tragen – zuletzt vom Taksim-Platz in Istanbul, wo binnen weniger Stunden eine Protestwelle entstand, die mithilfe sozialer Medien rasch im ganzen Land und auch international Aufmerksamkeit erregte. Aber hier zeigen sich nicht nur die Chancen der Handyfotografie – sondern auch deren Schwächen. Wie schon bei ähnlichen internationalen Ereignissen zuvor machten auch vom Taksim Bilder die Runde, bei denen sich bei genauerer Betrachtung herausstellte, dass sie in einem anderen Kontext oder auch an einem anderen Ort aufgenommen worden sind.

Dass solche Zufallsprodukte, erzeugt von Augenzeugen, den professionellen Pressefotografen den Rang (wenn nicht gar den Job) ablaufen könnten, glaubt APA-Chefredakteur Michael Lang daher nicht: „Diese Schnappschüsse haben mit echtem Fotojournalismus nichts zu tun. Wir erheben Anspruch auf Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit.“ Die sozialen Medien und das Internet haben aber die Arbeitsweise auch der Profifotografen deutlich geändert, weiß Lang: „Ein Agenturfotograf muss heute nicht nur hohe Qualität und hohe Auflösung liefern. Er muss seine Bilder auch direkt von der Kamera ins System schicken: Das ist quasi wie eine Liveberichterstattung.“

Über 1000 neue Bilder stellt die APA täglich bereit (eigene, aber auch solche von DPA und EPA), dazu ein paar Videos – und ist damit die größte Plattform für Nachrichtenbilder in Österreich. „Wir sparen hier nicht, denn die Illustration wird für die Medien ein immer wichtigeres Thema.“


Respekt vor Handwerk schwindet. Die Nachfrage nach starken, hochwertigen Bildern steigt – u.a. weil Verlage sparen. Wenn auch nicht alle so drastisch wie die „Chicago Sun-Times“, die diese Woche alle ihre 28Fotojournalisten entlassen hat: Künftig sollen die Reporter der Zeitung die Fotos und Videos selbst machen – per iPhone. Das stärkt Irbys Befürchtung, „dass der unternehmerische Respekt vor der handwerklichen Gewissenhaftigkeit schwindet“. Für die APA, sagt Lang, arbeiten nur ausgebildete Fotografen. Warum? „Die brauchen das richtige Auge, technisches Know-how und Belastbarkeit: In Schladming bei der WM vierzehn Tage lang mit der Ausrüstung durch Berg und Tal zu laufen ist irrwitzig.“

In den USA geht man beim Sparen aber noch weiter: Auch immer mehr Bildredakteure werden gekündigt, um Geld zu sparen. Die Auswahl der Bilder und die Kontrolle ihrer Qualität wird einfach den normalen Redakteuren übertragen. Die seien für dieses Handwerk aber nicht ausgebildet, beklagt Irby. Ergebnis dieser Managemententscheidungen sind immer mehr schlecht belichtete Bilder, Fotos, bei denen der Fokus nicht stimmt oder die Farben. „Es gibt Snapshots, und es gibt fotojournalistisches Storytelling“, gibt er zu bedenken. Auch die inhaltlichen Anforderungen würden sich immer wieder ändern, erzählt Lang: „Vor ein paar Jahren galt in der Politik die Devise: Bloß kein klassisches Porträt! Sondern unbedingt ein Foto, das anders ausschaut, das Originalität hat. Jetzt geht der Trend wieder in die andere Richtung: Vor allem Onlinemedien wollen Porträtbilder, weil sie sie oft nur klein abbilden können.“

Besonders stark wirke sich die Allgegenwart der Smartphones in der Berichterstattung über Prominente aus, erzählt Irby. „Das sind ja nicht einmal Amateure, die da knipsen, sondern deren eigene Fans.“ Und weil man so einen Schnappschuss binnen Sekunden über Twitter, Facebook, Tumblr oder andere neue Medien mit der gesamten Welt teilen kann, seien vor allem Musiker bei der Verteidigung ihres geistigen Eigentums heute mehr wegen Fotos auf der Hut als wegen Videos.

Limitiert oder tabu: Konzertfotos. „Künstler wie Madonna sind heute viel strikter, was den Zugang für Fotojournalisten betrifft. Ich habe als Fotograf auf Konzerten gearbeitet, bei denen wir nach drei Songs schon wieder gehen mussten. Das war die Bedingung dafür, überhaupt eine Akkreditierung zu bekommen“, so Irby. Das hat nicht nur mit kommerziellen Interessen zu tun. Vielen Künstlern geht das Fotografieren oder Mitschneiden ihrer Darbietungen unter die Haut: Der polnische Pianist Krystian Zimerman brach diese Woche sogar eines seiner seltenen Konzerte ab, weil ein Zuhörer mit dem Smartphone gefilmt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2013)

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