Ab morgen verhandelt das deutsche Verfassungsgericht über das umstrittene Staatsanleihen-Aufkaufprogramm. EZB-Direktor Asmussen verteidigt es.
Einen Tag vor Beginn der Verhandlung vor dem deutschen Verfassungsgericht über das Staatsanleihen-Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) hat EZB-Direktor Jörg Asmussen vor den Folgen eines möglichen Urteils gewarnt. "Ich habe hohen Respekt vor dem Gericht und werde einer unabhängigen Institution keine Ratschläge erteilen. Generell gilt aber: Keine Institution handelt im luftleeren Raum. Wenn das Aufkauf-Programm zurückgenommen werden müsste, hätte das erhebliche Konsequenzen," sagte Asmussen in einem vorab veröffentlichten Interview mit der "Bild-Zeitung" (Montagausgabe).
Außerdem appellierte Asmussen an die Reformbereitschaft auch in Deutschland. Deutschland sei vor zehn Jahren "der kranke Mann Europas gewesen", so Asmussen. "Mit harten Reformen hat sich das Land aus der Krise gekämpft, wird heute von vielen um die wirtschaftliche Stärke beneidet. Aber es darf keinen Stillstand geben, zum Beispiel im Steuersystem, in der Verkehrsinfrastruktur. Sonst sind wir in fünf oder zehn Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig."
Asmussen verteidigt Niedrigzinspolitik der EZB
Außerdem verteidigte er die Niedrigzinspolitik der EZB. "Die EZB muss bei ihren Zinsentscheidungen die Gegebenheiten in der gesamten Eurozone in Betracht ziehen. Und wenn die Lage in den Problemländern sich bessert, wird das Zinsniveau sich in Deutschland wieder normalisieren." In Deutschland seien die Zinsen aber auch deshalb niedrig, "weil derzeit sehr viel Kapital in den sicheren Hafen Deutschland fließt", so Asmussen. Sparen lohne sich aber noch immer.
Zugleich zeigte Asmussen Verständnis für die Inflationsängste vieler Deutschen. "Die Angst vor Inflation ist Teil unserer kollektiven Erinnerung. Aber die Bundesbürger können sicher sein: Die EZB wird alles tun, um stabile Preise in allen Eurostaaten zu sichern. Für 2013 erwarten wir gerade mal 1,4 Prozent Inflation."
"EZB sitzt nicht auf der Anklagebank"
Asmussen gab sich vor dem Verfahren aber auch gelassen. "Die EZB sitzt nicht auf der Anklagebank. Wir sind als Experten geladen und das Verfahren wird eine gute Gelegenheit sein, das Aufkaufprogramm "OMT" noch einmal zu erklären", sagte er. Das Programm sei ökonomisch notwendig, rechtlich zulässig und von der Wirkung her effizient. Als die EZB das Programm angekündigt habe, habe die Euro-Zone kurz vor dem unkontrollierten Zerfall gestanden. Das Verfassungsgericht befasst sich am Dienstag erneut mit dem Kurs der Rettungspolitik in der Euro-Schuldenkrise.
EZB-Präsident Mario Draghi hatte im vergangenen Jahr angekündigt, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen notleidender Eurostaaten aufzukaufen, um den Euro zu retten. Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hat die EZB dem Gericht dargelegt, welche Anleihen für das Programm überhaupt infrage kämen. Das begrenze das Volumen der möglichen Anleihenkäufe für Spanien, Italien, Irland und Portugal zusammen auf 524 Milliarden Euro. Bei der EZB war keine Stellungnahme dazu zu erhalten.
Wie urteilt das Verfassungsgericht?
Am Dienstag und Mittwoch will sich das Verfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung mit der Frage beschäftigen, ob die angekündigten Staatsanleihenkäufe mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Verfassungsrechtler rechnen damit, dass das Gericht dem Anleihenkaufprogramm Grenzen aufzeigen wird.
(APA/dpa/Reuters)