Konjunktur: Ratlos im Jammertal

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Symbolbild(c) EPA (KARL-JOSEF HILDENBRAND)
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Die Eurozone steckt in der Rezession, Österreichs Wirtschaft schlittert gerade hinein. Wenn die EU ihre Bankenreform tatsächlich aufschiebt, droht uns eine jahrelange Wirtschaftsflaute nach dem Modell Japan.

Die Eurozone rutscht tiefer in die Rezession – und sie wird aus diesem Jammertal nicht so schnell herausfinden. Dieser Schluss lässt sich aus den in immer kürzeren Abständen niederprasselnden Abwärtsrevisionen der Konjunkturprognosen ziehen. Jetzt ist nicht mehr nur der „Club Med“ betroffen, wo die Einbrüche beim Bruttoinlandsprodukt recht schwer sind (in Italien beispielsweise ist das BIP im ersten Quartal um 2,4 Prozent geschrumpft). Auch Österreich gerät zunehmend unter Wasser.

Die ersten drei Monate dieses Jahres waren laut Wirtschaftsforschungsinstitut jedenfalls das vierte Quartal in Folge, in dem das heimische BIP real stagniert hat. Die Konjunkturprognosen müssen für heuer also auch für Österreich stark zurückgeschraubt werden. Das Institut Eco-Austria geht von 0,5 Prozent Realwachstum aus. Die Nationalbank ist unterdessen bei 0,3 Prozent angelangt. Selbst diese mageren Werte sind freilich nur erreichbar, wenn das zweite Halbjahr spürbar besser läuft als das erste. Die (derzeit noch gültigen) letzten Prognosen von Wifo und IHS waren noch von 0,8 bis 1,0 Prozent Wachstum ausgegangen. Auch der Aufschwung, den die Institute für das kommende Jahr voraussagen, wird unterdessen relativiert: Es gebe, sagt Eco-Austria, einen „statistischen Überhang“, der das Ergebnis um 0,7 Prozentpunkte nach oben verzerren werde. Von den rund 1,5 Prozent Realwachstum, die für kommendes Jahr erwartet werden, wäre also nur die Hälfte „echt“.

„Aufgeblasenes“ BIP

Das heißt in der Praxis: Wir stecken heuer in der Rezession und werden im kommenden Jahr bestenfalls stagnieren. Denn die realen Wachstumsraten sind nicht so real, wie sie aussehen. Es gibt nicht wenige Experten, die meinen, dass „wirkliches“ Wachstum erst bei rund einem Prozent ausgewiesenen Realwachstums beginne. Der Grund liegt darin, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht exakt erfassbar, die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung also keine übertrieben exakte Wissenschaft ist.

Ein relativ großer Teil des BIPs beruht auf Schätzungen (etwa für den Anteil der Schwarzarbeit oder die in der Rechnung enthaltenen fiktiven „imputierten Mieten“, die für Immobilieneigentum bezahlt werden müssten, wenn man es nur gemietet hätte).

Das BIP wird solcherart „aufgeblasen“, gleichzeitig werden der „Deflator“, dessen Abzug von der nominalen BIP-Steigerung den realen BIP-Zuwachs ergibt, sowie die Inflationsrate eher sehr vorsichtig berechnet, was dann etwas freundlichere Prognosen ergibt.

Als Indiz für diese These sehen Experten das Faktum, dass die Arbeitslosenrate normalerweise erst ab 2,5 bis 3,0 Prozent Wachstum zu sinken beginnt. Die Produktivitätssteigerungen allein können dafür nicht verantwortlich sein.

Warum Europa so hartnäckig in der Krise stecken bleibt, während sich etwa die USA schon deutlich erholter präsentieren, hat gestern Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny bei der Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB in Wien angedeutet: Eine der Lehren aus der Krise der 1930er-Jahre sei gewesen, dass Preisstabilität und Stabilität der Realwirtschaft nicht ohne Stabilität des Finanzsektors erreicht werden können.

Das ist freilich eine Lehre, die die Eurozone noch nicht gezogen hat: Während in den USA seit Ausbruch der Krise an die 500 Banken einfach „abgewickelt“ wurden, würgen die von der Finanzkrise gleich stark betroffenen europäischen Banken noch immer an ihren bilanziellen Altlasten. Was sich unterdessen als echte Konjunkturbremse erweist: Die Liquidität, die die Europäische Zentralbank in die Märkte pumpt, oszilliert zwischen Pleitestaaten und Pleitebanken hin und her und findet nicht den Weg in die Wirtschaft.

Während die Banken Geld in nahezu unbegrenzter Menge fast gratis von der EZB bekommen, klagen etwa besonders Klein- und Mittelbetriebe in Südeuropa (zunehmend aber auch bei uns), dass Kredite kaum – und wenn überhaupt zu sehr hohen Zinsen – zu bekommen seien.

Ändern soll das die geplante Bankenunion, die per europäischer Bankenaufsicht und europäischer Bankenabwicklungsbehörde endlich den Bankensektor bereinigen und die „lebenden Toten“ unter den Instituten endgültig ins Jenseits befördern soll (ganz nebenbei: unter Beteiligung von Großsparern nach dem Modell Zypern).

Allerdings: Die Bankenunion, die eine der wichtigsten Reformen zur Wiederherstellung einer gesunden Wirtschaftsstruktur ist, droht jetzt zum Opfer des deutschen Wahlkampfs zu werden. Kein Wunder, dass einige Ökonomen schon ein japanisches Schicksal auf Europa zukommen sehen: Dort herrscht, seit dem Platzen der Immobilienblase in den Achtzigerjahren, de facto seit einem Vierteljahrhundert, Stagnation.

Auf einen Blick

Die Konjunkturprognosen müssen auch für Österreich erneut scharf nach unten korrigiert werden. Während die gültigen Prognosen von Wifo und IHS für heuer noch ein reales BIP-Wachstum von 0,8 bis 1,0 Prozent prophezeien, gehen Nationalbank und Eco-Austria nur noch von 0,3 bis 0,5 Prozent aus. Auch im kommenden Jahr dürfte sich die konjunkturelle Lage aus heutiger Sicht nicht entscheidend verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2013)

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