Kaiser, Papst und ein Fonds im Innenressort

Kaiser Papst Fonds Innenressort
Kaiser Papst Fonds Innenressort(C) Bundesimmiobilineverwaltung
  • Drucken

Beamte des Innenministeriums sollen eine Million Euro aus einem Fonds von Kaiser Franz Joseph satzungswidrig gespendet haben. Der Monarch wollte mit dem Geld die Ringstraße bauen.

Wien/Awe. Die Wiener Ringstraße ist lange fertig und seit vielen Jahrzehnten eine Attraktion für Touristen. 156 Jahre nach seiner Gründung sorgt jener kaiserliche Fonds, der Verkehrsfläche und Prachtbauten finanzierte, für Aufregung im Innenministerium. Ob ein unbedachter Griff in die einstige Baukassa von Franz Joseph I. zum Skandal taugt oder nicht, entscheidet nun die Staatsanwaltschaft. Wie es dazu kam?

Schon vor einem Monat hatte der Rechnungshof kritisiert, dass der vom Innenministerium verwaltete Wiener Stadterweiterungsfonds, den vier ranghohe Mitarbeiter von Ressortchefin Johanna Mikl-Leiter lenken, 0,9 Mio. Euro satzungswidrig für karitative, wissenschaftliche und religiöse Zwecke spendete. Nach einer Änderung der Satzung im Jahr 2009 folgten weitere 2,9 Mio. Euro. Ein Viertel der Summe floss in die Renovierung dreier (katholischer) Kirchen, an eine Diözese und eine katholische Universität in Rom. Dem Heiligen Stuhl gefiel das offenbar so gut, dass er vier führende Beamte und Fondsverantwortliche im Vorjahr mit dem Ritterkreuz des päpstlichen Silvesterordens auszeichnete. Eine Ehre, die Fondsgründer und Kaiser Franz Joseph nicht zuteil wurde. Ein Anonymus vermutet dahinter nun Untreue und Korruption. Das ORF-Radio Ö1 berichtete am Dienstag von einer entsprechenden Anzeige gegen die zwei Sektionschefs Franz Einzinger und Mathias Vogl, den stellvertretenden Kabinettschef von Mikl-Leitner, Karl Hutter, sowie den ehemaligen Geschäftsführer des Integrationsfonds, Alexander Janda.

„Seine apostolische Majestät“

Tatsächlich hatte der Kaiser einst nicht die Förderung religiöser Werke im Sinn, als er 1857 den damaligen Innenminister Alexander Freiherr von Bach anwies, die nötigen Schritte zur Errichtung der Ringstraße und seiner Bauten einzuleiten. Er wollte Wien verändern und sich selbst ein Denkmal setzen. Abseits der bekannten Büsten und Reiterstandbilder.

Die Anweisung erging als „Allerhöchstes Handschreiben“ von „seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät“ und wurde am 25. Dezember 1857 im der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht. Die Ausgabe ist heute im via Internet zugänglichen „Anno“-Katalog (historische Zeitschriften und Zeitungen) der Nationalbibliothek einsehbar. Der anschließend gegründete Stadterweiterungsfonds sorgte allerdings schon damals für gehörigen Ärger.

Sein einst beträchtliches Kapital stammt aus der Veräußerung jener Grundstücke, auf denen vorher Stadtmauer und Wehranlagen standen. Das Geld, das private Investoren dafür lockermachten, floss anschließend in die Errichtung der repräsentativen Prunkbauten. Die Stadt Wien sah von diesem Geldsegen keinen Gulden, musste vielmehr auf Geheiß des Monarchen die Infrastruktur (Verkehrsflächen, Wasser und Abwasser etc.) für sein Prestigeprojekt zur Verfügung stellen. Ein gewaltiges Negativgeschäft, das dem Rathaus viel Geld und Nerven kostete.

Dann kamen die Ringstraßeneröffnung, zwei Weltkriege, und es geschah lange Zeit – nichts. Erst 2006 erbarmte sich die damalige und inzwischen verstorbene Innenministerin Liese Prokop und gab – gemäß einer Empfehlung des Rechnungshofes aus dem Jahr 1962 (sic!) – die Anweisung, den Fonds, dessen Zweck die Errichtung der Ringstraße gewesen war, aufzulösen. Und mit dem restlichen Vermögen „Gutes zu tun“. So steht es in den Protokollen. Dazu änderte das Kuratorium des Fonds die eigene Satzung und machte es möglich, Geld nicht nur im Bereich Ringstraße und Innere Stadt zu investieren, sondern auch für „sonstige Projekte“. Für die betroffenen Ministeriumsmitarbeiter war das die Grundlage für die nun kritisierte Spendentätigkeit. Dem Rechnungshof war das zu wenig. Die Prüfer sehen die Gaben an die katholische (und andere) Kirchen erst mit der Satzungsänderung 2009 gerechtfertigt.

Die Millionen, die der Fonds vergab, stammen fast ausschließlich aus dem Verkauf des Geländes des Wiener Eislaufvereins. Die Immobilie befand sich seit Kaisers Zeiten im Besitz des Fonds und ging 2008 unter dem neuen Minister Günther Platter um 4,2 Mio. Euro an eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft, an der auch SPÖ-Mandatar Peter Wittmann beteiligt war.

200.000 herrenlose Euro

Viel zu billig, wie der Rechnungshof meint. Allerdings war kurz vorher erneut die Stadt Wien mit dem Fonds in Konflikt geraten. Nachdem der WEV, Boulevardmedien und Otto Schenk für einen Erhalt des Areals protestierten, verhängte Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SPÖ) eine Bausperre über das Gelände. Der Preis fiel in den Keller, der Bauträger, Buntes Wohnen, machte ein Schnäppchen. Anzufangen wusste man damit jedoch nichts. Nach einer weiteren Zwischenstation beim Freiheitlichen Detlev Neudeck plant derzeit der Investor Micheal Tojner dort ein neues Projekt.

Und des Kaisers Fonds? Der ist inzwischen mit rechtskräftigem Bescheid vom März 2013 aufgelöst. Die letzten verbliebenen Vermögenswerte sind ein paar Kunstgegenstände von geringem Wert, Servitute, die niemand haben will, und 200.000 Euro auf einem Treuhandkonto.

Wem das Geld zufällt, ist derzeit ein juristischer Streitfall. Das Finanzministerium lehnte ein Angebot – trotz blanker Kassen – zunächst dankend ab. Weil der Fonds nicht mehr existiert und auch kein Kuratorium mehr hat, weiß niemand, wer das Geld nun vergeben darf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Maria Fekter
Innenpolitik

Das Ressort, das Aufträge gern freihändig vergibt

Durch auffällige Zahlen und Auftragnehmer im ÖVP-Umfeld geriet das Innenministerium in den vergangenen Jahren in die Kritik.
Experte UntreueVorwurf gegen Ministerium
Politik

Experte: "Innenministerium spendete satzungswidrig"

Der Stadterweiterungsfonds soll 916.000 Euro aus öffentlichen Mitteln als Spenden verteilt haben - und dabei die Satzung des Fonds missachtet haben. Ermittlungen könnten folgen. Das Ministerium weist die Vorwürfe zurück.
Grundstuecke gingen billig Politikersohn
Wien

Grundstücke gingen zu billig an Politikersohn

Der Wiener Stadterweiterungsfonds verkaufte Liegenschaften in bester Lage viel zu billig. In einer parlamentarischen Anfrage wollen die Grünen nun Details des Verkaufs klären.
Experte UntreueVorwurf gegen Ministerium
Politik

Experte: "Innenministerium spendete satzungswidrig"

Der Stadterweiterungsfonds soll 916.000 Euro aus öffentlichen Mitteln als Spenden verteilt haben - und dabei die Satzung des Fonds missachtet haben. Ermittlungen könnten folgen. Das Ministerium weist die Vorwürfe zurück.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.