Der Einsatz der Sicherheitskräfte auf dem Taksim-Platz befeuert die Proteste. Premier Erdogan will noch heute Demonstranten treffen. Die Kritik an seiner Regierung wächst auch international.
Die türkische Protestbewegung bietet der Regierung auch nach der schweren Eskalation der Polizeigewalt auf dem Taksim-Platz in Istanbul die Stirn. Zwar räumte die Polizei nach stundenlangen Auseinandersetzungen und Tränengasangriffen den Platz in der Nacht. Gruppen der Protestierer harrten aber weiter auf dem Taksim-Platz aus, wie Augenzeugen berichteten.
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wollte Künstler und Vertreter der Protestbewegung noch am Mittwoch zu einem Gespräch treffen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Der türkische Präsident Abdullah Gül rief zum Dialog auf. Demonstranten, die Gewalt ausgeübt hätten, seien aber ausgenommen, sagte Gül am Mittwoch vor Journalisten in Rize am Schwarzen Meer. Die türkische Rundfunkbehörde RTÜK ging derweil gegen kritische Sender vor.
TV-Sender muss Strafen
Der Großeinsatz der Polizei gegen die Demonstranten auf dem Taksim-Platz hatte die Lage nach zehn Tagen wieder dramatisch verschärft. Der Gouverneur von Istanbul, Hüseyin Avni Mutlu, beschuldigte die Regierungsgegner, die Polizei angegriffen zu haben. Der Polizeieinsatz auf dem Platz werde so lange fortgesetzt wie nötig, sagte er. Der Gouverneur forderte die Bürger Istanbuls auf, sich vom Taksim-Platz fernzuhalten, bis Sicherheit hergestellt sei.
Der Sender Halk TV, der anders als Nachrichtensender der türkischen Medienkonzerne durchgehend über die Demonstrationen berichtet, sei wie drei weitere Stationen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, berichteten türkische Medien am Mittwoch. Die Rundfunkbehörde wirft den TV-Stationen vor, gegen Sendeprinzipien verstoßen zu haben und mit ihren Programmen die physische, geistige und moralische Entwicklung junger Menschen zu gefährden, wie es weiter hieß es.
"Regierung sendet falsches Signal"
International wuchsen Besorgnis und Kritik wegen des Vorgehens der türkischen Polizei. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rief zur Zurückhaltung auf. "Die türkische Regierung sendet mit ihrer bisherigen Reaktion auf die Proteste das falsche Signal, ins eigene Land und auch nach Europa", sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. "Wir erwarten, dass Ministerpräsident Erdogan im Geiste europäischer Werte deeskaliert und einen konstruktiven Austausch und friedlichen Dialog einleitet."
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief alle Beteiligten zu Ruhe und friedlichem Dialog auf. "Proteste sollten friedlich sein, und das Recht auf Versammlung und freie Meinungsäußerung sollte respektiert werden, denn das sind fundamentale Prinzipien eines demokratischen Staates", sagte sein Sprecher in New York.
Die USA, die die Türkei unter Erdogan bisher als Musterbeispiel für eine islamische Demokratie bezeichnet hatten, äußerten sich besorgt über die Lage in dem Nato-Staat, der an das Bürgerkriegsland Syrien grenzt.
(APA/Reuters/Red.)