EZB-Rettungspolitik: Sinn warnt vor Billionen-Risiko

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Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo beziffert vor dem deutschen Verfassungsgericht das Risiko weit höher als die Europäische Zentralbank.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befasst sich diese Woche mit der Rechtmäßigkeit der Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank. Im Zentrum steht dabei das Programm zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern, das die EZB im Vorjahr angekündigt hatte, um die Märkte zu beruhigen. Das Verfassungsgericht muss darüber entscheiden, ob das sogenannte OMT-Programm mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Denn die deutsche Bundesbank sieht die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischt.

Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, hat bei der Experten-Anhörung seinen Standpunkt klar gemacht: Die EZB betreibe mit dem Staatsanleihen-Ankaufen entweder eine verbotene Geld- oder eine verbotene Fiskalpolitik, sagte Sinn laut Faz.net. Sinn warf der EZB vor, sie finanziere Staaten und überschreite ihre Kompetenzen. "Wenn man alles zusammenzählt, dann hat die Staatengemeinschaft den Krisenländern bisher 1158 Milliarden Euro an Krediten gegeben", so Sinn. Davon seien nur 32 Prozent unter Aufsicht der Parlamente geflossen. Der Rest komme von der Zentralbank.

"Kostenlose Versicherung für Anleger"

Das OMT-Programm zum unbegrenzten Ankauf von Anleihen sei eine "kostenlose Versicherung für Anleger, wenn der Staat pleite geht", so Sinn weiter. Dabei gebe es auch einen Markt für Kreditausfallabsicherungen (CDS).

Spiegel.de zufolge gab der Ökonom am Mittwoch vor dem Verfassungsgericht ein Gesamtrisiko von 1,363 Billionen Euro an. Da Deutschland mit 27 Prozent größter Anteilseigner der EZB ist, ergäbe sich daraus eine Höchstbelastung von 369 Milliarden Euro. Sinn kommt laut dem Bericht auf die Zahl, indem er nicht nur mögliche Ausfälle der Staatsanleihen, sondern auch dadurch entgehende Zinseinnahmen einrechnet. Beziehe man das Wachstum der Geldmenge mit ein, liege das höchstmögliche Risiko sogar bei etwa 3,4 Billionen Euro.

EZB beziffert Haftungen auf 542 Milliarden

Die Zentralbank sieht die Haftung aus dem Programm laut einer schriftlichen Stellungnahme auf "nur" 542 Milliarden Euro begrenzt, weil es nur auf Staatsanleihen von Spanien, Italien, Irland und Portugal mit kurzen Restlaufzeiten von einem bis drei Jahren ziele.  "Auf die Laufzeit kommt es gar nicht an", erklärte dagegen Sinn.  Am Ende stehe ja doch die Zentralbank bereit, um die Papiere zu kaufen.

Der Präsident der deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, spricht sich unterdessen für eine engere Definition des geldpolitischen Mandats der EZB aus. Er sei bereit, den Freiraum einzuschränken. Denn aus dem Freiraum resultierten Probleme für die Glaubwürdigkeit der Zentralbank und Stabilitätsrisiken, so Weidmann in Karlsruhe. Primäres Ziel der Notenban ist die Preisstabilität der Eurozone. Der französische EZB-Direktor Benoit Coeure betonte dagegen in Karlsruhe, die Zentralbank agiere mit ihren unkonventionellen Maßnahmen erfolgreich innerhalb ihres Mandats. Dies sei auch an den Inflationserwartungen abzulesen.

(Red./APA)

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