Überstunden: „All-in ist nicht das Allheilmittel“

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Verträge, die Überstunden pauschal abdecken, bringen Vorteile für Chefs und Mitarbeiter. Aber wer sie falsch einsetzt, riskiert den Konflikt mit dem Gesetz.

Wien. Es klingt praktisch: Der Arbeitnehmer bekommt sein Grundgehalt plus ein Pauschale, mit der alle Überstunden abgegolten sind. Der Mitarbeiter spart sich die Arbeitszeitaufzeichnung, das Unternehmen die aufwendige Überstundenabrechnung am Ende des Monats. Alle sind zufrieden und können sich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren. Dem All-in-Vertrag oder dem Überstundenpauschale sei dank. In der Praxis sieht das leider oft anders aus. Denn wer einen solchen Vertrag abschließt und die Details nicht beachtet, dem können böse Überraschungen blühen. Zu wenig Bezahlung – für den Mitarbeiter –, Probleme mit dem Arbeitsrecht bis hin zu Strafen für den Arbeitgeber.

Überstundenpauschale und All-in-Vertrag werden oft synonym verwendet. Dabei gibt es wesentliche Unterschiede. „Bei einem All-in-Vertrag ist das Grundgehalt meistens nicht festgehalten. Während das Überstundenpauschale immer zum Grundgehalt dazugezählt wird“, sagt Rolf Gleißner, Experte für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Arbeitszeitaufzeichnung entfällt also zumindest beim „echten Überstundenpauschale“ nicht. Der Arbeitgeber muss darauf achten, dass die Höchstarbeitszeit – in der Regel zehn Stunden pro Tag und 50Stunden in der Woche – nicht überschritten wird. Am Ende des Jahres muss eine „Deckungsprüfung“ durchgeführt werden: Der Mitarbeiter muss mit dem Pauschale mindestens so viel Geld bekommen, wie die Einzelabrechnung der Überstunden – plus Zuschläge – ergeben hätte.

Weg vom Stundenzählen

Anders ist das beim All-in-Vertrag. Ursprünglich ist dieser für leitende Angestellte gedacht, die in Eigenverantwortung unternehmensrelevante Entscheidungen treffen dürfen und dabei über freie Zeiteinteilung verfügen – also hochrangige Führungskräfte wie Geschäftsführer oder Vorstände. Sie sind vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen, die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit entfällt. „Für solche Personen, aber auch Experten ist ein All-in-Vertrag durchaus sinnvoll“, sagt Martin Sulzbacher von Deloitte. Er ermögliche Flexibilität, die Orientierung verschiebe sich in Richtung Leistung, weg vom Stundenzählen. „In Österreich wird das aber sehr oft gedehnt.“ So würden All-in-Verträge auch für Mitarbeiter eingesetzt, die nicht in diese Gruppe fallen. Vor allem das Thema Arbeitszeitaufzeichnung sei dabei kritisch. „Viele Firmen verwenden All-in zu pauschal, ohne über die richtige Zielgruppe nachzudenken. Weil sie glauben, dass sie damit am wenigsten Aufwand haben.“

Die Grünen sehen dabei gar keine Vorteile und wollen „echte All-in-Verträge“ abschaffen. „Mittlerweile haben ganz normale Arbeitskräfte solche Verträge“, sagt die Grüne Arbeitsmarktsprecherin Birgit Schatz. Als Folge sinke der Stundenlohn. Die Gewerkschaft fordert seit Jahren, All-in-Verträge auf Führungskräfte zu beschränken, Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ebenfalls.

„Echte“ All-in-Verträge dürfen ohnehin nur mit Personen vereinbart werden, die aus den genannten Gründen nicht unter das Arbeitszeitgesetz fallen. „Für alle anderen Arbeitnehmer ist ein All-in-Vertrag nichts anderes als ein Überstundenpauschale“, sagt der Arbeitsrechtler Kurz Wratzfeld von Fellner Wratzfeld & Partner. Er rät Arbeitgebern, bei Überstundenpauschalen ein Widerrufsrecht zu vereinbaren und regelmäßig zu überprüfen, ob das Pauschale noch sinnvoll ist. Der erforderliche Arbeitsaufwand sinkt womöglich, Überstunden werden nicht mehr gebraucht, das zusätzliche Entgelt wird aber weiter bezahlt – eine „kalte Gehaltserhöhung“. „Und ich muss als Arbeitgeber darauf achten, dass das kollektivvertragliche Mindestgehalt nicht unterschritten wird.“

Mindestlohn statt Überzahlung

Das kann nämlich nicht nur für den Arbeitgeber unangenehm werden, der den Konflikt mit dem Gesetz riskiert. Sondern auch für den Beschäftigten, wie Christoph Klein aus der Arbeiterkammer (AK) weiß. „Das ist bei uns ein häufiges Beratungsthema. Vor allem auch junge Menschen sind oft enttäuscht, weil sie nicht wussten, worauf sie sich eingelassen haben.“ Sie freuen sich– etwa nach dem ersten Jobwechsel – über ein attraktives Gehaltsangebot. „Oft kommt es dann zu massiven Überstundenleistungen und Dienstreisen. Und wenn sie nach einiger Zeit nachrechnen, merken sie, dass sie für das absolute kollektivvertragliche Mindestgehalt gearbeitet haben.“

Diese Gefahr besteht bei All-in-Klauseln, weil in solchen Verträgen in der Regel kein Grundgehalt ausgewiesen wird. „Überstundenpauschalen sind insofern kein Problem“, sagt Klein. Sie liefen zwar oft auf dasselbe hinaus. „Nur wissen beide Parteien, worauf sie sich einlassen.“ In einer AK-Erhebung aus dem Jahr 2006 hatten 24Prozent der Befragten All-in-Klauseln im Vertrag und 22 Prozent eine Überstundenpauschale. Eine aktuelle Befragung ist in Arbeit.

Für Unternehmen können pauschale Verträge aber auch in anderer Hinsicht problematisch werden. „Wenn man viele Mitarbeiter auf All-in-Verträge umstellt, nimmt man sich eine gewisse Flexibilität“, sagt Sulzbacher von Deloitte. Da man in Phasen, in denen weniger zu tun ist, nicht mit Stundenkonten manövrieren kann. „Ich würde All-in nicht grundsätzlich verteufeln. Aber das Allheilmittel, als das es viele sehen, ist es auf keinen Fall.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2013)

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