Strafrecht: Heimfälle wohl verjährt

Strafrecht Heimfaelle
Strafrecht Heimfaelle (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Nur wenn Täter nach Heimschließungen noch ähnliche Delikte begingen, wäre eine Anklage möglich.

Wien/Aich. 1977 wurde das Jugendheim auf dem Wiener Wilhelminenberg geschlossen, in dem es zu Gewaltanwendung und Missbrauch gekommen war, wie der zuletzt vorgelegte Bericht der Historikerkommission belegt. Die sexuellen Übergriffe aus dieser Zeit sind strafrechtlich allerdings längst verjährt. Es sei denn, die Täter hätten auch nach Schließen des Heimes weitere sexuelle Übergriffe getätigt.

Denn das Strafgesetzbuch sieht vor, dass es keine Verjährung gibt, wenn der Täter während der Verjährungsfrist eine weitere Straftat begeht, die „auf der gleichen schädlichen Neigung beruht“. Und zwar unabhängig davon, ob man wieder dieselbe Person wie damals oder eine andere quält. Wenn jemand, der im Heim Übergriffe getätigt hat, also auch nach Schließen des Heims Sexualstraftaten begangen hat, kann er auch noch wegen der Delikte aus den 1970erJahren angeklagt werden.

Allerdings gilt das Günstigkeitsprinzip bei der Verjährung. Das bedeutet, dass für Täter, obwohl die Verjährungsregeln seit Ende der 1970er-Jahre immer wieder verschärft wurden, das jeweils günstigere Recht gilt, also hier die Gesetze zum Tatzeitpunkt.

Fünf bis 20 Jahre Verjährungsfrist

Im Juni 2009 war der Fristenlauf zuletzt noch einmal deutlich verschärft worden. Demnach beginnt die Verjährungsfrist bei Missbrauch von Minderjährigen erst zu laufen, wenn das Opfer das 28.Lebensjahr vollendet hat. Das gilt aber eben nur für Taten, die seit Juni 2009 erfolgten.

Die Verjährungsfrist selbst hängt vom Delikt ab. Sexueller Missbrauch von Unmündigen verjährt nach fünf Jahren – nach den neuen Regeln also erst, wenn das Opfer 33 Jahre alt wird. Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen (Beischlaf) verjährt nach zehn Jahren. Hat der schwere sexuelle Missbrauch eine schwere Körperverletzung zur Folge, beträgt die Verjährungsfrist 20 Jahre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)

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