Nach Wilhelminenberg-Bericht: Weitere Heime werden geprüft

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Wilhelminenberg(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine neue Arbeitsgruppe soll Vorwürfe gegen andere Wiener Kinderheime prüfen. Vor allem das Heim auf der Hohen Warte.

Wien/Stu. Einen Tag nach der Vorstellung des Endberichts der Wilhelminenberg-Kommission hat Jugendstadtrat Christian Oxonitsch (er hatte die Kommission beauftragt) am Donnerstag die Gründung einer Arbeitsgruppe in Auftrag gegeben, die sich mit weiteren Wiener Heimen beschäftigten wird – wie der „Presse“ im Jugendressort bestätigt wird.

Der Endbericht der Wilhelminenberg-Kommission hat den Großteil der massiven Vorwürfe bestätigt: Bis zur Schließung im Jahr 1977 gab es in diesem Heim massive Gewalt und sexuellen Missbrauch von Kindern. Und bereits bei der Präsentation des Berichtes meinte Oxonitsch: Das ehemalige Kinderheim auf dem Wilhelminenberg sei ein besonderes Beispiel, aber kein Einzelfall gewesen: „Der Wilhelminenberg war hier Pars pro Toto.“ Mit anderen Worten: Gewalt und Misshandlungen waren auch in anderen Kinderheimen der Stadt an der Tagesordnung. Auch im Wilhelminenberg-Bericht gibt es Hinweise auf ähnliche Zustände im damaligen Heim für Burschen auf der Hohen Warte. Historiker Michael John, Mitglied der Kommission, hat dieses Heim als „absolut untersuchenswert“ bezeichnet.

Bericht wird durchgearbeitet

Nun wird die Arbeitsgruppe den Wilhelminenberg-Bericht im Detail durcharbeiten – auch in Hinblick auf Hinweise auf Missstände in anderen Heimen, es wird also auch die Hohe Warte unter die Lupe genommen. Wobei das Jugendressort unerfreuliche Ergebnisse erwartet: „Auf der Hohen Warte herrschten beispielsweise die gleichen Rahmenbedingungen wie auf dem Wilhelminenberg: Es war eine große Institution am Rande der Stadt“, heißt es aus dem Büro Oxonitsch. Die Kinder hätten abschottet gelebt und seien isoliert worden.

Die neue Arbeitsgruppe ist bei der Magistratsabteilung 11 (Kinder, Jugend, Familie) angesiedelt. Sie besteht aus Experten der Stadt, Kontrollorganen der Jugendwohlfahrt und der Wiener Kontrollgremien, unter anderem auch des unabhängigen Wiener Kontrollamts. Die Gruppe soll auch das aktuelle System der Wiener Jugendwohlfahrt untersuchen. Also prüfen, ob es noch Schwachstellen oder Fehler gibt, die Missbrauch bzw. die Vertuschung von Missbrauch begünstigen.

Warum nicht wieder eine externe Kommission Recherchen in anderen Heimen, vor allem der Hohen Warte, übernimmt, wird im Jugendressort so begründet: Dass es zu dieser Zeit massive Missstände in allen Wiener Heimen gegeben habe, sei durch die Wilhelminenberg-Kommission erwiesen. Deshalb brauche man nicht für jedes Heim eine externe Untersuchungskommission. Das sei budgetär nicht machbar und würde keine neuen grundlegenden Erkenntnisse bringen. Denn die Fakten, wie die Situation in der Wiener Jugendwohlfahrt gewesen sei, würden auf dem Tisch liegen.

Gleichzeitig soll ermittelt werden, wer den Auftrag dafür gab, dass 1977 bei der Schließung des Heims auf dem Wilhelminenberg laut einer Zeugin alle Akten sofort vernichtet wurden. „Dieser Schritt wäre auch damals illegal und sicher nicht gesetzeskonform gewesen“, heißt es im Jugendressort.

Vorwürfe auch gegen Spital

Mit Vorwürfen muss sich seit der Vorwoche auch der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) beschäftigen. Eine Krankenschwester berichtete jetzt von schweren Misshandlungen Anfang der 1980er-Jahre im Kinderpavillon im Krankenhaus am Steinhof, wo geistig behinderte Kinder und Jugendliche untergebracht waren. Der KAV hat nun eine Arbeitsgruppe installiert, um die Vorfälle zu untersuchen. Eingerichtet wurde auch eine Anlaufstelle (Tel. 40409/70970 oder servicemail@wienkav.at), an die sich Betroffene oder Zeugen wenden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)

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