"Red Line" überschritten: USA greifen in Syrien-Krieg ein

A child is seen in front of a damaged house in Qusair
A child is seen in front of a damaged house in QusairREUTERS
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Das Weiße Haus hat "Beweise" für den Einsatz von Chemiewaffen - und wird nun die Rebellen "militärisch unterstützen". Angeblich erwägen die USA auch die Einrichtung einer Flugverbotszone. Moskau bezichtigt Obama der Lüge.

Im Syrien-Konflikt ist die von US-Präsident Barack Obama beschriebene "rote Linie" ("red line") überschritten: Das Weiße Haus hegt keine Zweifel mehr am Einsatz von Chemiewaffen durch den syrischen Machthaber Bashar al-Assad und kündigte am Donnerstag eine "militärische Unterstützung" der Rebellen an. Berichten zufolge soll Obama bereits Waffenlieferungen für die Aufständischen genehmigt haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber vorerst nicht.

Nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste habe Syriens Staatsführung im Laufe des vergangenen Jahres "in geringem Umfang" mehrfach Chemiewaffen eingesetzt, erklärte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes. Bei den Angriffen seien "100 bis 150 Menschen" getötet worden. Unter anderem sei das Nervengas Sarin zum Einsatz gekommen. Vor eineinhalb Wochen hatte bereits die französische Regierung erklärt, den Einsatz von Saringas im syrischen Bürgerkrieg klar nachgewiesen zu haben.

Keine Details zu Unterstützung

Obama hatte Chemiewaffenangriffe in der Vergangenheit als "rote Linie" für ein Eingreifen in den Syrien-Konflikt bezeichnet. "Der Präsident hat gesagt, dass der Einsatz von Chemiewaffen sein Kalkül ändern würde, und das ist passiert", erklärte nun Rhodes. Obama werde "in den kommenden Wochen" mit dem Kongress über das weitere Vorgehen beraten.

Rhodes sagte, dass Washington die Rebellen künftig auch "militärisch" unterstützen werde. Er nannte aber keine Details. Wie die "New York Times" berichten, wollen die USA nun aber unter anderem Panzerabwehrwaffen an Syriens Rebellen liefern. Von den Aufständischen vehement geforderte Flugabwehrraketen werde es vorerst aber nicht geben.

Kommt Flugverbotszone?

Die USA erwägen westlichen Diplomaten zufolge auch die Einrichtung einer Flugverbotszone in Syrien. Diese könnte entlang der Grenze zu Jordanien gelten, sagten zwei ranghohe Diplomaten in der Türkei am Freitag. Auch das "Wall Street Journal" berichtete am Freitag, die US-Armee könnte eine Flugverbotszone in den syrischen Grenzgebieten als Schutzraum für die Rebellen einrichten. Demnach könnte die Zone rund 40 Kilometer in syrisches Gebiet hineinreichen und durch Kampfflugzeuge von Stützpunkten in Jordanien und Schiffen im Mittelmeer und dem Roten Meer durchgesetzt werden. Nach Ansicht der Militärplaner bedürfe eine derartige Intervention kein Mandat des UNO-Sicherheitsrats, da die Flugzeuge nur selten nach Syrien eindringen würden.

Russland wirft USA Lüge vor

Die Regierung in Damaskus wies die Vorwürfe der USA scharf zurück: . Die Erklärung des Weißen Hauses sei "mit Lügen gespickt", erklärte am Freitag ein Vertreter des syrischen Außenministeriums nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Sana. Den US-Angaben lägen "erfundene Informationen" zugrunde. Auch ein führender russischer Außenpolitiker bezichtigte die US-Regierung der Lüge. Die Berichte seien "an derselben Stelle fabriziert" worden wie die "Lüge" über Massenvernichtungswaffen des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein, schrieb Alexej Puschkow, Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma in Moskau, am Freitag bei Twitter.

Russland gilt neben dem Iran als der engste Verbündete des Assad-Regimes. Beide Länder haben Damaskus in den vergangenen Monaten mit Waffen beliefert. Zuletzt fuhren die Truppen des syrischen Machthabers einige militärische Erfolge ein, weshalb bezweifelt wird, dass Waffenlieferungen das Blatt zugunsten der Rebellen wenden könnten. In US-Medien kursiert das geflügelte Wort "too little, too late".

Auch Franzosen und Briten für Bewaffnung

Angesichts der jüngsten militärischen Erfolge des Assad-Regimes machen sich auch Frankreich und Großbritannien für eine zügige Bewaffnung der Rebellen stark. Die Europäische Union hatte vergangenen Monat auf Drängen aus Paris und London das Waffenembargo gegen Syrien auslaufen lassen. Damit könnten Assads Gegner ab Spätsommer mit Rüstungsgütern beliefert werden.

Bei den Kämpfen zwischen Assads Truppen und den Rebellen sind seit März 2011 nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 93.000 Menschen getötet worden. Angesichts des Blutvergießens rief die UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Donnerstag die Konfliktparteien zu einer "sofortigen Waffenruhe" auf. Ungeachtet dessen wurden aus Syrien erneut schwere Gefechte gemeldet, und auch im Nachbarland Libanon schlugen Raketen ein.

Nato fordert Untersuchung

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte angesichts der US-Berichte zu einem Chemiewaffeneinsatz in Syrien eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen (UNO). Die syrische Regierung in Damaskus müsse eine Prüfung der Berichte durch die UNO zulassen, sagte Rasmussen am Freitag bei einer Pressekonferenz in Brüssel, wie er auf Twitter berichtete. Er begrüße den klaren Bericht der USA, so der Nato-Generalsekretär.

(APA/AFP/Reuters/dpa)

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