Ausschalten durch Heirat

Hanna Rosins Anleitung zum Vertreiben von Männern aus den Vorstandsetagen. In Amerika haben viele moderne Entwicklungen ihren Ausgang genommen. Warum nicht auch jene, die Hanna Rosin beschreibt?

In Amerika haben viele moderne Entwicklungen ihren Ausgang genommen. Warum nicht auch jene, die Hanna Rosin beschreibt? Die erfolgreiche Journalistin fährt eines Tages in eine kleine amerikanische Küstenstadt und stellt erstaunt fest: Die Männer sind verschwunden! Es sind einfach keine mehr zu sehen. Neugierig geworden, fragt sie: Was ist da passiert?

Umfangreiche Studien, Interviews, Statistiken und der Lokalaugenschein brachten sie zu der Erkenntnis, dass eine gewaltige gesellschaftliche Verschiebung im Gange ist: Amerika ist auf dem Weg zum Matriarchat! Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die Wirtschaftskrise. Männer scheinen die Verlierer zu sein.Vor allem Männer der Unterschicht. Seit 2000 gingen im produzierenden Gewerbe der USA fast sechs Millionen (Männer)Arbeitsplätze verloren. Im Gegenzug wurden neue (Frauen)Arbeitsplätze im Bildungs- und Gesundheitsbereich geschaffen. Ein Trümmerfrauen-Phänomen.Männer werden marginalisiert, Frauen werden zu Alleinverdienerinnen und Alleinerzieherinnen.

In der Mittelschicht hingegen wird wieder mehr geheiratet, allerdings unter neuen Vorzeichen. Die Ernährerrolle ist nicht mehr auf den Mann fixiert, sondern switcht flexibel zwischen den Ehepartnern hin und her. Doch während sichdie Frauen zwischen all den verschiedenen Anforderungen eine biegsame neue Identität basteln, konstatiert Rosin aufseiten der Männer Schockstarre und Orientierungslosigkeit.

Beruflich fühlen sich Männer, wie ein 29-jähriger Redakteur eines Stadtmagazins, durch die weibliche Konkurrenz zunehmend verunsichert: „Es liegt daran, dass unsere Mannschaft verliert. Alles, was wir brauchen, um in der Welt gut zurechtzukommen, sind Dinge, in denen meine weiblichen Freunde und Konkurrenten besser sind als ich. Besser sind als wir.“ Das hat Auswirkungen auf das weibliche Selbstverständnis und Sexualverhalten. Rosin interviewt Studentinnen an Eliteuniversitäten und stellt fest, dass diesejungen Frauen den – ziemlich deftigen – Sexismus ihrer Kommilitonen inzwischen zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen.

Vorstände bleiben gern unter sich

Nur in einem Bereich scheint das Matriarchat noch zu schwächeln: in den Vorstandsetagen großer Konzerne. Die berühmte gläserne Decke, an der so viele hoch talentierte und bestens ausgebildete Frauen hängen bleiben, hat sich schon seit mindestens zehn Jahren nicht mehr verrückt. Rosin fragt nach dem Warum.

Die Antworten sind auch hierzulande bekannt: Frauen verhandeln schlechter, wenn es um ihre persönlichen Vorteile geht, und sie haben Hemmungen, ihre Macht offen zu zeigen, weil sie dafür mit einer Abwertung ihres erotischen Kapitals zahlen müssen. Das bremst den Aufstieg. Aber in Amerika ist man schon beim übernächsten Schritt. So schreibt Michael Lewis in der „Los Angeles Times“: „Es gab einmal eine Zeit, in der erfolgreiche Männer ihren Status damit demonstrierten, dass sie ebenso erfolgreiche Frauen heirateten. Doch diese Zeit ist vorbei. Heute demonstriert ein Mann seinen sozialen Status mit dem schönsten bürgerlichen Schmuckstück, das er finden kann – er sucht sich die bestbezahlte Frau in einer höchst angesehenen Position und schaltet sie durch Heiraten aus.“

Wenn es sich verhält wie mit dem Kühlschrank und der Jazzmusik, dann kommen wir da auch noch hin. ■

Hanna Rosin

Das Ende der Männer

Und der Aufstieg der Frauen. Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Heike Schlatterer. 400 S., geb., € 20,60 (Berlin Verlag, Berlin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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