Preistreiber auf der Regierungsbank

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NATIONALRAT: FAYMANN/SPINDELEGGER/FEKTERAPA/ROBERT JAEGER
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Die ÖVP fordert kurz vor den Wahlen eine Gebührenbremse, um die staatliche Preistreiberei zu bremsen. Gute Idee. Aber warum erst jetzt?

Für Reue ist es bekanntermaßen nie zu spät. Wer ein Leben lang in Saus und Braus lebt, darf auf Vergebung hoffen, solange das sündige Dasein noch vor Verlassen dieses Planeten mit schuldigem Blick eingestanden wird. Daran dürfte sich auch die Parteiführung der dem christlichen Glauben durchaus nahestehenden ÖVP erinnert haben, als sie Mitte vergangener Woche eine Gebührenbremse für den öffentlichen Sektor forderte. Das kommt keine Sekunde zu früh, schließlich liegt die aktuelle Legislaturperiode in ihren letzten Zügen, da bleibt für reumütige Geständnisse nur mehr wenig Zeit.

Nun kann auch gar nicht oft genug gesagt werden, dass der Staat den Bürgern zu viel Geld aus den Taschen zieht, gemessen an der gebotenen Gegenleistung. Aus Sicht der ÖVP tun das natürlich vor allem die „roten“ Gemeinden. Die Stadt Wien habe in nur einem Jahr die Parkgebühr um 66 Prozent angehoben, Wasser um 33 Prozent und Gas um 15 Prozent verteuert. Zwischen 2001 und 2010 habe die Stadt Wien ihren Bürgern um eine Milliarde Euro zu viel für Müll und Wasser verrechnet, kritisiert der Rechnungshof.
Das müsse ein Ende haben, deshalb dürften die Gebühren nur im selben Ausmaß wie die tatsächlichen Kosten steigen. Ein guter Vorschlag, zumal die meisten Bürger bisher ohnehin angenommen haben, dass sich öffentliche Gebühren an den laufenden Kosten orientieren und nicht am Geldbedarf der kommunalen Kassen.

Eine nette Geste. Um das Leben leistbarer zu gestalten, müsse die menschliche Arbeitskraft endlich entlastet werden, wie die im ÖVP im Abendrot dieser Legislaturperiode erkennt. Demnach sollen die Lohnnebenkosten nach der Wahl um 80 Euro sinken. Pro Haushalt und pro Jahr. Um die Dimension dieses Betrages etwas besser einordnen zu können: Jemand, der 2000 Euro brutto im Monat verdient, muss für den Staat pro Jahr 16.661,28 Euro an Lohnnebenkosten erwirtschaften. Nun sind 80 Euro besser als nichts, aber dennoch so, als würde ein Straßenräuber nach erfolgreicher Arbeit seinem Opfer noch schnell einen Fünf-Euro-Schein zustecken.
Überhaupt drängt sich die Frage auf, was die Volkspartei der Bevölkerung eigentlich sagen will. Dass sie im Vorjahr einer Erhöhung der Lohnnebenkosten nur deshalb zugestimmt hat, um vor der Wahl deren Senkung einfordern zu können? Dass sie in den vergangenen fünf Jahren nicht gesehen hat, wie Steuern und öffentliche Gebühren durch die Decke gingen? Wie die Staatsausgaben angeschwollen sind und die allesamt im öffentlichem Eigentum stehenden Energieversorger den wettbewerbsfreien Raum nutzten, um die Tarife in die Höhe zu treiben? Oder dass sie keine Gelegenheit sah, dem Gebührenrausch ein Ende zu setzen? Dass sie den Koalitionsfrieden nicht stören wollte? Schwer zu sagen.
Die SPÖ tut sich da wesentlich leichter. Sie steht nämlich voll und ganz hinter den überhöhten Tarifen im öffentlichen Bereich. Schließlich hätten eine funktionierende Abwasserentsorgung und Müllabfuhr eben ihren Preis, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Donnerstag sagte. Um hinzuzufügen, dass dafür ja auch der Kindergartenbeitrag auf null gesenkt und die Jahreskarte für die Wiener Linien verbilligt worden wäre. Das ist zumindest ehrlich: Ja, wir haben die Gebühren für Wasser und Müll gezielt nach oben geschraubt, um der Wiener SPÖ den „Gratis“-Kindergarten zu ermöglichen und die Wiener Linien quersubventionieren zu können. Das erklärt auch, warum die „gemeinnützigen“ Wasserwerke eine Gewinnspanne von 37 Prozent verrechnen.
Nicht wirklich viel hält die SPÖ von einer Senkung der Lohnnebenkosten. Das käme nämlich nur den Firmen zugute. In den Reihen der Sozialdemokraten glaubt man offensichtlich noch immer, dass die Biersteuer von der Brauerei, die Mineralölsteuer von der OMV und die Bankensteuer von den Banken bezahlt wird – und nicht von den Kunden.

Das Ziel heißt Umverteilung. Der SPÖ geht es eben nicht so sehr darum, den Menschen mehr von ihrem selbst verdienten Geld zu überlassen – sondern ihnen zuerst über hohe Steuern und Gebühren so viel wie möglich abzunehmen, um es dann ihrer Wählerschicht mit einem Augenzwinkern zuzuschieben. Die ÖVP wiederum erklärt gern, wie befruchtend der Wettbewerb sei, wie sehr es sich die arbeitende Bevölkerung verdient hätte, mehr von ihrem Markteinkommen zu behalten, und wie sehr der Partei doch die Leistungsträger am Herzen lägen. Leider immer erst vor anstehenden Wahlen. Während der Legislaturperiode wird aber Schmiere gestanden, wenn Staatsschulden und öffentliche Ausgaben zur Beglückung des Wahlvolkes gnadenlos erhöht werden.

Wer also wirklich will, dass die Bürger entlastet werden, wird nicht umhinkommen, deutlich sinkende Staatsausgaben zur Bedingung einer künftigen Regierungsbeteiligung zu erheben. Sinkende öffentliche Ausgaben sind nämlich der einzige Weg, um Steuern und Abgaben nachhaltig zu senken. Ein öffentlicher Haushalt kann schließlich nur ausgeben, was er seinen Bürgern abnimmt. Und wer es mit sinkenden Preisen wirklich ernst nimmt, sorgt für mehr Wettbewerb innerhalb des staatlichen Systems, liberalisiert den Energiemarkt wirklich, entrümpelt die mittelalterliche Gewerbeordnung und erhöht damit die unternehmerische Dynamik.
Die Vertreter der ÖVP wissen schließlich am besten: Reue allein reicht nicht. Zur Vergebung der Sünden gehört auch das aufrichtige Gelöbnis zur Besserung.


franz.schellhorn@ diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)


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