Alev Korun: Dönmez verstößt gegen "grüne Grundwerte"

Korun AbschiebungsSager dummer Spruch
Korun AbschiebungsSager dummer Spruch(c) APA
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Bundesrat Dönmez forderte "One-Way-Tickets" für Erdogan-Anhänger in die Türkei. Seine grüne Parteikollegin Alev Korun geht im DiePresse.com-Interview auf Distanz. Von den Protesten in der Türkei erhofft sie sich eine Stärkung der Demokratie.

Eigentlich wollte Alev Korun von ihren Eindrücken im Istanbuler Gezi-Park berichten, doch ihr oberösterreichischer Parteikollege Efgani Dönmez machte ihr einen Strich durch die Rechnung. „Dumme Sprüche“ seien es, die der grüne Verbalradikale da im Interview mit der Tageszeitung „Heute“ abgegeben habe. Der Bundesrat aus Oberösterreich hat gesagt, man soll österreichische Erdoğan-Anhänger in die Türkei zurückschicken. Mit einem One-Way-Ticket. (>>Mehr dazu)

DiePresse.com: Was sagen Sie zur Aussage von Efgani Dönmez, man solle die Erdogan-Anhänger in Österreich in die Türkei „zurückschicken"?

Alev Korun: In der Türkei gibt es derzeit Ereignisse, die für die nächsten Jahre bestimmend sein werden. Und was hier ein Kollege sagt, ist meiner Meinung nach nicht das Hauptthema. Ich distanziere mich ganz klar von diesen dummen Sprüchen, die grünen Grundwerten diametral entgegen stehen. Man kann nicht sagen, nur weil jemand anders denkt, soll er das Land verlassen - und gleichzeitig berechtigte Kritik äußern an einer Politik, die Andersdenkende nicht wahrnehmen will.

Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner hat das auch gesagt. Ist Dönmez noch tragbar für die Grünen?

Es wurde klar gestellt, dass es grünen Grundwerten widerspricht. Der Kollege muss selber überlegen, was seine Haltungen sind.

Denken Sie an Parteiausschluss?

Efgani Dönmez ist bei den oberösterreichischen Grünen. Die müssen das mit ihm klären. Es wurde mit ihm gesprochen und ihm klargemacht, dass er damit weit und breit alleine steht.

Ihm wurde also ein Austritt nahe gelegt?

Wir diskutieren das anders bei den Grünen. Wir sind für Meinungsfreiheit und nicht für Abschiebung Andersdenkender.

Kommen wir zu Ihrem Istanbul-Aufenthalt. Was haben Sie am Taksim-Platz erlebt?

Ich war am Wochenende mit einer Delegation aus Österreich dort, der unterschiedliche Menschen angehörten, Gewerkschafter, Künstler, Leute aus der Zivilgesellschaft. Ich war am Samstag vor der Räumung den ganzen Tag im Gezi-Park. Das Spannende ist: Erstmals sind in der Türkei über politische, ethnische, religiöse Grenzen hinweg Kräfte zusammen gekommen mit dem Ziel, mehr Bürgerrechte und Mitbestimmung zu bekommen. Am Samstag war tagsüber Feststimmung, es waren Familienausflügler dort, Jung und Alt, es wurde gesungen, getanzt, es gab Bürgerforen, wo Menschen ihre Gedanken mit den anderen geteilt haben. Es war ein gesellschaftliches Labor, in dem Zusammenleben über Unterschiede hinweg ausprobiert wurde. Man kann es fast nicht mit Worten beschreiben. Dieser Geist wird über die Räumung des Gezi-Parks hinaus bleiben.

Was könnte daraus längerfristig entstehen?

Daraus könnte eine Stärkung der Demokratie in der Türkei entstehen. Aber das hängt auch von Premier Erdogan ab: Wie er sich entscheiden wird damit umzugehen. Derzeit setzt er auf Härte und Vertreibung der Protestierenden. Ich hoffe sehr, dass die Regierung zum Dialog übergeht, und die Anliegen der Protestierenden ernst nimmt.

Hat Premier Erdogan nicht eher bewiesen, dass er keine Anregungen aufnehmen will?

Bis jetzt hat er einen ziemlichen Zickzackkurs hingelegt. Er widerspricht sich immer wieder: Er beschimpft Demonstranten, dann will er wieder reden.

Wie groß ist die Gefahr einer Konfrontation zwischen den unterschiedlichen Lagern?

Das Neue am Gezi-Park war ja die alten Polarisierungen der türkischen Gesellschaft zu überwinden. Die Regierung scheint derzeit leider wieder in die alten Muster zu kippen.

Hat sich Erdogan mit der Räumung des Gezi-Parks die Gesprächsmöglichkeit verbaut?

Es gibt viele, die erst nach dem ersten blutigen Polizeieinsatz auf die Bewegung aufgesprungen sind. Der Glaube, mit Härte die Kritik beseitigen zu können, vergrößert die Protestbewegung. 

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