Eine Studie der Organisation Attac zeigt, dass zwei Drittel der Rettungsgelder für Griechenland in Höhe von 206 Milliarden Euro an Banken und Investoren geflossen sind.
Wien/Athen. Die Sanierung des europäischen Dauerpatienten Griechenland droht immer mehr zu einer endlosen Verkettung aus Fehlentscheidungen, Intransparenz und Zwistigkeiten unter den Geldgebern zu werden. Jüngstes Ärgernis für die leidgeprüfte Bevölkerung ist eine Studie der globalisierungskritischen Organisation Attac, wonach gut zwei Drittel der bisher erhaltenen Hilfsgelder in Höhe von insgesamt 206,9 Milliarden Euro in den Finanzsektor geflossen seien.
Recherchen der Organisation ergaben, dass 58,2 Milliarden Euro (28,2% der Gesamtsumme) für die Rekapitalisierung griechischer Banken aufgewendet wurden und 101,3 Milliarden Euro (49% der Gesamtsumme) an Gläubiger des griechischen Staates gingen. Das ist zwar insofern logisch, als ein Großteil der Gelder in den Schuldendienst floss und die Aufrechterhaltung der staatlichen Leistungen zum Zweck hatte. Für die griechischen Bürger dürfte die Zahlen aber nur schwer verständlich sein. „Die Bevölkerung muss die Rettung von Banken und Anlegern mit einer brutalen Kürzungspolitik bezahlen, die die bekannten katastrophalen sozialen Folgen hat“, sagt Attac-Aktivistin Lisa Mittendrein.
Platzt die Koalition?
Sie meint damit nicht zuletzt den jüngsten Beschluss des griechischen Ministerpräsidenten, Antonis Samaras, den staatlichen Rundfunk ERT zu schließen und so mit einem Schlag 2700 vom Staat finanzierte Mitarbeiter auf die Straße zu setzen. Zwar gewährte die Euro-Gruppe dem maroden Land daraufhin grünes Licht für die Freigabe einer weiteren Hilfstranche in Höhe von 3,3 Milliarden Euro, und Berlin lobte Samaras für seine „klare Reformorientierung“. Dennoch könnte die Angelegenheit für den Premier unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Da der Konservative die Entscheidung ohne Rücksprache mit seinen beiden Koalitionspartnern – der sozialistischen Pasok und der Demokratischen Linken – getroffen hat, droht die Regierung zu platzen. Gestern, Montag, trafen die Spitzen der drei Parteien am Abend zu einer Krisensitzung zusammen, die bis nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte.
Doch auch abseits vom politischen Hickhack und der intransparenten Nutzung der milliardenschweren Hilfsgelder wollen die Negativschlagzeilen für Griechenland derzeit nicht abreißen. Kaum zwei Wochen ist es her, dass der Internationale Währungsfonds (IWF), der neben der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) den dritten Teil der internationalen Geldgeber-Troika bildet, einen verheerenden Bericht über die Griechenland-Rettung veröffentlichte.
Im Kern kritisierten die Autoren des Dokuments, dass die Erwartungen der Geldgeber über die Wirkung des ersten Hilfsprogramms im Frühjahr 2010 zu optimistisch gewesen seien. Das Vertrauen der Märkte habe nicht wiederhergestellt werden können, die Wirtschaft sei viel stärker als erwartet abgestürzt.
Während der Bericht in Athen widersprüchlich aufgenommen wurde, löste er im übrigen Europa Unverständnis und einen handfesten Streit zwischen den Geldgebern aus. Neben ESM-Chef Klaus Regling und Kommissionspräsident José Manuel Barroso plädierte zuletzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble für ein Ausscheiden des IWF aus der Troika – allerdings erst nach Abschluss der laufenden Rettungsprogramme.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2013)