Peinlicher Brief bringt IWF-Chefin Lagarde in Erklärungsnot

Christine Lagarde IWFChefin
Christine Lagarde IWFChefin(c) YOAN VALAT / EPA / picturedesk.c (YOAN VALAT)
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Unterwürfig statt selbstbewusst, so gibt sich Christine Lagarde in einem Brief an Nicolas Sarkozy, und sorgt damit für Verwunderung.

Paris. Die französische Zeitung „Le Monde“ hat einen Brief von Christine Lagarde an Nicolas Sarkozy abgedruckt, der der heutigen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Nachhinein höchst peinlich sein muss. Nicht nur, weil das undatierte Schreiben nie für die Öffentlichkeit bestimmt war. Der wohl aus 2007 stammende Brief wurde bei einer richterlichen Hausdurchsuchung im Rahmen der Ermittlungen zum Adidas-Deal gefunden.

Der Brief sagt viel über das Klima von Macht und Intrigen um den im Mai 2007 zum Staatspräsidenten gewählten Nicolas Sarkozy aus. Zwar hat sich Christine Lagarde nie damit gebrüstet, eine Feministin zu sein. Die Enthüllungen liefern nun aber ein beschämendes Bild einer Frau, die für einen Platz an der Sonne – oder neben dem „Sonnenkönig“ – ihre totale Gefolgschaft anbietet.

Dass Lagarde wie viele andere dem neuen Staatschef ihre Dienste angetragen hätte, würde niemanden schockieren. Der Tonfall indes wohl schon mehr: „Benutz mich so lange, wie es dir passt und wie es deiner Aktion und deinem Casting entspricht. Wenn du mich brauchst, benötige ich deine Führung und Unterstützung: Ohne Führung wäre ich ineffizient, ohne Unterstützung wäre ich nicht sehr glaubwürdig. Mit meiner immensen Bewunderung, Christine L.“

Mit diesen Worten hat sich die sonst so selbstbewusst auftretende Frau allem Anschein nach nicht um einen untergeordneten Posten beworben. Die ehemalige New Yorker Geschäftsanwältin wurde 2007 zuerst kurz Ministerin für Landwirtschaft und Fischerei, wenig später aber von Sarkozy an die Spitze des Wirtschafts- und Finanzministeriums befördert. Als 2011 IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer New Yorker Hotelangestellten zu Fall kam, schlug Sarkozy Lagarde sogleich als Nachfolgerin vor.

Im Nachhinein muss sich Lagarde jetzt die Frage gefallen lassen, ob ihr schriftlicher Kotau der Preis für diese Karriere war. In ihrem Brief hat sie Sarkozy mit einer in der Politik unüblichen Selbstverleugnung und einem Seitenhieb gegen gewisse Günstlinge versichert: „Ich hege keinerlei persönliche politische Ambitionen, und ich habe nicht den Wunsch, ein dienstfertiger Ehrgeizling zu werden wie viele in deinem Umkreis, deren Loyalität neueren Datums und oft nicht von Dauer ist.“

Umstrittener Adidas-Verkauf

Auf diese unverbrüchliche Loyalität kann der vor einem Jahr abgewählte Sarkozy heute noch zählen. Ihr Treueschwur hat eine Langzeitgarantie. Als die jetzige IWF-Chefin im Mai von den französischen Behörden zur Rolle des Staatschefs beim Adidas-Deal befragt wurde, hielt sie eisern dicht: „Wahlpolitische Fragen hatten keinen Einfluss auf meine Entscheidung im Adidas-Streit“, erklärte sie.

Im Zuge des Verkaufs des deutschen Sportartikelherstellers wird der IWF-Chefin vorgeworfen, als Ministerin Beihilfe zur Veruntreuung geleistet zu haben. Konkret geht es um staatliche Entschädigungszahlungen in der Höhe von rund 400 Mio. Euro an den Geschäftsmann Bernard Tapie, der Adidas 1993 an eine Investorengruppe veräußerte. Formelles Ermittlungsverfahren gegen Lagarde gibt es bisher keines. Vielmehr wurde sie zur „Zeugin mit Rechtsbeistand“ ernannt. Hier wird ihr ein Status zwischen Beschuldigter und Zeugin zugeschrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2013)

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