Griechenland: „Nicht einmal unter der Diktatur ist das passiert“

Griechenlands Rundfunk.
Griechenlands Rundfunk. (c) REUTERS (YORGOS KARAHALIS)
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Seit Montagabend steht fest, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter senden darf. Die Radiojournalistin Eugenia Katoufa weiß nicht, wie lange sie noch für den Sender ERT arbeiten kann.

Die Erleichterung ist Eugenia Katoufa anzusehen. Seit Montagabend steht fest, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Ellinikí Radiofonía Tileórasi, kurz ERT, vorerst weitersenden darf, so besagt es ein Gerichtsbeschluss. Eine Woche zuvor hat die griechische Regierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras die Rundfunkanstalt geschlossen – nach den Spätnachrichten um 21 Uhr wurde das Funksignal abgeschaltet. Engagierte Redakteure produzierten daraufhin in Eigenregie weiter Programm. Im September will die Regierung eine neue, schlankere Rundfunkanstalt mit 1200 statt bisher 2650 Angestellten gründen, die nur 100 statt 300 Millionen Euro Budget erhält.

Die 54-jährige Eugenia Katoufa arbeitet seit 32 Jahren als politische Redakteurin für das erste Radioprogramm von ERT. Bei ihrem Besuch in Wien auf Einladung von Presserat und Forum Journalismus und Medien sagte sie: „Nicht einmal unter der Diktatur zwischen 1967 und 1974 ist es passiert, dass der Sender einfach zugesperrt wurde. Das war ein faschistischer Akt.“ Dabei gibt sie zu, es gäbe Einsparungspotenzial bei der ERT. Dass ein Land mit elf Millionen Euro einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit drei TV-Sendern, sieben nationalen und 19 regionalen Radiosendern hat, sei durchaus zu hinterfragen. „Aber die Leute lieben ERT.“ Die Leute sind allerdings nicht die Masse, denn zusammen kommen die ERT-Sender gerade auf 14 Prozent Reichweite. Das mag daran liegen, dass der Sender sehr spezielles Programm sendet, einen eigenen Sender für Sport, einen für klassische Musik hat. Sparen könnte man, wenn es nach Katoufa geht, in erster Linie bei den hohen Gagen der Direktoren. Bei den Journalisten sei das kaum mehr möglich, nach einer Gehaltskürzung von bis zu 25 Prozent im Zuge der Wirtschaftskrise betrage das Durchschnittseinkommen der Redakteure 1200Euro netto im Monat. Das Juni-Gehalt wurde Katoufa noch überwiesen, doch obwohl das Gericht angeordnet hat, dass ERT bis auf Weiteres senden darf, bleibt die Zukunft der 2650 Angestellten ungewiss. Derzeit gehen sie davon aus, dass alle Mitarbeiter ihren Job verlieren und nur die Hälfte im neuen Sender beginnen darf. Eine straffere Struktur und einen Aufsichtsrat ohne politischen Einfluss versprach die konservative Regierung, die sich unter dem EU-Druck der Einsparungen vergangene Woche zu dieser Kurzschlusshandlung hinreißen ließ. Katoufa glaubt diesen Ankündigungen nicht. Warum sollte sich die Regierung freiwillig den Einfluss nehmen lassen?

„Wir haben nicht viel Schlaf bekommen“

Ein Gutes habe die aktuelle Situation aber: Es sei schön zu sehen, wie stark die Solidarität der Bevölkerung mit der ERT-Belegschaft sei. Seit Tagen demonstrieren viele Menschen vor dem Hauptgebäude der Senderanstalt in Athen gegen die Schließung. Sogar regierungsfreundliche Zeitungen haben die Entscheidung der Regierung kritisiert. „Ich bin müde, seit vergangener Woche haben wir nicht viel Schlaf bekommen“, sagt Katoufa. Griechenland würde in aller Welt mit Pallas Athene, Olympia und Demokratie verbunden. „Aber das war ein Messerstich ins Herz der Demokratie.“ Sie glaubt, die Regierung wollte mit der im Parlament beschlossenen Senderschließung per Notdekret nicht nur sparen, sondern damit den Werbeanteil der ebenfalls wirtschaftlich angeschlagenen privaten TV-Sender erhöhen. Immerhin war der jetzige ERT-Direktor bis vor einem Jahr Chef des privaten Senders Star.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)

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