Mutlose Gesundheitspolitik

Kleine Spitäler sind nicht per se schlechte Spitäler. Aber immer mehr Spitalsbetten erzeugen automatisch deren Belegung.

Mit unserem Aufruf zur Vorsicht vor Spitalsbesuchen („Presse“ vom 8.5.) haben wir ein wenig umgerührt. Das freut uns, so soll es sein. Dass daraufhin ein Funktionär der Ärztekammer zur Beschimpfung ausholt ist nicht überraschend (15.5.). Neu aber ist, dass die Kammerfunktion in der Kurzbiografie vorsorglich verschwiegen wird. Wie auch immer – in der Chefetage der NÖ-Krankenanstalten Holding hat man sich über so viel Ergebenheit bestimmt sehr gefreut.

Ein System mit zu vielen Spitälern

Den Ball an die NÖ-Holding spielen wir gern mit einer Nachfrage zurück: Was wurde eigentlich aus der unmissverständlichen schriftlichen Aufforderung der Holding, Spezialeingriffe an kleinen Häusern zu unterlassen? Und wir fragen uns, warum der zarte Versuch einer Leistungszentrierung von Spitälern wie Horn und Zwettl so hartnäckig ignoriert werden darf?

Es gab aber auch inhaltliche Diskussionspunkte, die wir gern aufgreifen. Marcus Franz, der ärztliche Direktor eines kleinen Wiener Spitals, ist der Meinung, dass die Qualität in kleinen Häusern oft besser ist als in großen Zentralspitälern (22.5.). Das mag in sehr engen Grenzen stimmen.

Wir appellieren aber in einem System mit zu vielen Spitälern gegen den Erhalt der kleinen Spitäler. Denn diese erbringen, um ihre Existenz zu rechtfertigen, Leistungen, die nicht notwendig sind, und führen Eingriffe durch, deren intensivmedizinische Betreuung sie kaum garantieren können.

Und natürlich gäbe es viele gute Ideen, etwa die häuserübergreifende Personalplanung. Alles super. Wir leben aber in einem Land, das zum Teil von unwissenden und mutlosen Landes- und Gesundheitspolitikern regiert wird. Klare Direktiven, die in privatwirtschaftlich geführten Spitälern mühelos gelingen, verkommen bei Landesspitälern rasch zur Theorie.

Kleine Häuser haben nur dann eine Berechtigung, wenn das Einsatzgebiet dem echten Bedarf und ihrem Können entspricht. Oder mit den Worten des Chirurgen Michael Gnant: Wir müssen dorthin kommen, dass immer weniger Spitalsärzte die gleiche Leistung durchführen und die Patienten dafür ein paar Kilometer weiter fahren. Zu genau diesem Schritt fehlt aber der politische Wille.

Der Verlogenheit ausgeliefert

Man verkauft der Bevölkerung lieber eine wohnortnahe, vollständige Versorgungskette – wohl wissend, dass Patienten mit zig Krankentransporten durch die Gegend gefahren werden, bis sie an der richtigen Stelle sind! Und es sind gerade ältere und chronisch kranke, wenig mobile Menschen und jene mit geringerem Wissensstand, die dieser Verlogenheit ausgeliefert sind.

Von einem Spitalsarzt gab es daher ein interessantes Feedback auf unseren Gastkommentar: guter Text, aber er sollte eigentlich auf dem Cover der „Kronen Zeitung“ stehen.

Christina Aumayr-Hajek (*1977 in Linz) ist freiberufliche Kommunikationsberaterin.
Ernest Pichlbauer (*1969 in Wels) ist unabhängiger Gesundheitsökonom.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)

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