Die US-Notenbank könnte die milliardenschweren monatlichen Anleihekäufe bis Mitte kommenden Jahres beenden, sagte Fed-Chef Bernanke.
Die geldpolitische Zeitenwende in den USA rückt näher: Die US-Notenbank könnte ihren extrem laxen geldpolitischen Kurs noch in diesem Jahr verlassen und ihre milliardenschweren monatlichen Anleihekäufe bis Mitte kommenden Jahres beenden, sagte Fed-Chef Ben Bernanke am Mittwoch vor der Presse in Washington. Letztlich hänge der Zeitpunkt von der Entwicklung des Arbeitsmarktes ab. "Sollten unsere Prognosen tatsächlich eintreffen, dann enden die Anleihekäufe Mitte kommenden Jahres." Die Fed kauft Monat für Monat für 85 Mrd. Dollar (63,4 Mrd. Euro) Staats- und Immobilienpapiere. Bei einer Wirtschaftsentwicklung, wie sie sich die Notenbanker erhofften, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Umfang der Bonds-Käufe noch in diesem Jahr gedrosselt werden könne, sagte Bernanke.
Leitzins bleibt auf Rekordtief
Bisher sind Bernanke & Co. mit der Konjunktur allerdings offenbar noch nicht zufrieden genug. Bei einem zweitägigen Treffen des entscheidenden Offenmarktausschusses (FOMC) änderten sie am Dienstag und Mittwoch weder den Umgang noch das Tempo der Anleihekäufe. Auch den Leitzins, der seit Jahren bei faktisch null Prozent liegt, tasteten sie nicht an. Bernanke betonte, dass die Fed gegenwärtig davon ausgehe, dass zwischen dem Ende der Anleihekäufe und der ersten Zinserhöhung eine "geraume Zeit" vergehen werde. Die große Mehrheit der FOMC-Mitglieder rechnet erst 2015 mit einer Zinsänderung, ein Zentralbanker erwartet diesen Schritt sogar noch ein Jahr später, obwohl die Fed in ihren Konjunkturprognosen insgesamt optimistischer geworden ist.
Vor allem der Arbeitsmarkt - bisher die Achillesferse der weiterhin unter den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise leidenden größten Volkswirtschaft der Welt - soll sich nach den neuen Fed-Prognosen nun um einiges schneller erholen als bisher erwartet. So rechnet Bernanke bereits im kommenden Jahr damit, dass der von der Fed gesetzte Schwellenwert einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent für die erste Zinserhöhung nach der Krise bereits im kommenden Jahr erreicht werden könnte. Bernanke betonte jedoch, dass es sich um einen Schwellenwert handle, nicht um einen quasi automatischen Auslöser für eine Zinserhöhung.
"Die meisten Mitglieder im Ausschuss - dem FOMC - halten Vollbeschäftigung bei Werten zwischen fünf und sechs Prozent für gewährleistet. Die 6,5 Prozent sind also ein Punkt für eine weiche Landung." Für den Zeitpunkt, zu dem die Anleihekäufe enden könnten - also Mitte kommenden Jahres - rechnet der Fed-Chef immer noch mit einer Arbeitslosenquote von sieben Prozent. Die Fed muss sich per Mandat nicht nur wie andere Notenbanken um stabile Preise kümmern, sondern soll zudem Vollbeschäftigung erreichen. Meistens stehen diese beiden Aufgaben in einem für die Geldpolitik nicht so einfach lösbaren Zielkonflikt.
Verluste an den Börsen
An den Börsen sorgten die Worte Bernankes für Verluste an den Börsen und Gewinne bei den Renditen für Staatsanleihen. Der Dow Jones-Index an der Wall Street viel um ein Prozent, während die Renditen der US-Treasuries teils kräftig anzogen. Dies ist ein technischer Effekt, weil sich Rendite und Kurs bei Anleihen spiegelverkehrt verhalten. Die Anleihekurse fielen, weil - sollten Bernankes Worten Taten folgen - die Fed als sicherer Käufer von Bonds ausfallen würde. Parallel geriet der Euro unter Druck und rutschte unter die psychologisch wichtige Marke von 1,33 Dollar auf ein Vier-Tages-Tief von 1,3270 Dollar ab.
Die nun absehbare geldpolitische Wende in den USA sorgt nicht überall auf der Welt für Begeisterung: Weltbankchef Jim Yong Kim sieht beispielsweise höhere Refinanzierungskosten auf die Entwicklungs- und Schwellenländer zukommen, sollte die Fed ihre Geldflut eines Tages stoppen. Im Gespräch mit Reuters erklärte Kim am Mittwoch in London, er gehe allerdings davon aus, dass Bernanke den Fuß nicht einfach unkontrolliert vom Gaspedal nehmen werde. Angesichts der global zirkulierenden Mengen an Notenbank-Liquidität, die durch die in Japan erzeugte Geldflut noch erhöht werde, bewege sich die Weltwirtschaft aber "auf unsicherem Terrain", warnte Kim.
Jürgen Fitschen, der Co-Chef der Deutschen Bank erklärte in Frankfurt: "Wir stehen am Anfang eines Weges, der sehr gut vorbereitet wird. Auf diesem Weg gehen die Zinsen wieder nach oben." Wann sich andere Notenbanken der Fed auf ihren Weg der geldpolitischen Normalisierung anschließen, ist indes völlig offen. Während die Bank von Japan erst kürzlich die geldpolitischen Schleusen richtig weit öffnete, dachte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, erst am Dienstag laut über eine weitere Zinssenkung und den Einsatz zusätzlicher unorthodoxer Instrumente im Kampf gegen Rezession und Kreditklemme in vielen Euro-Ländern nach.
(APA/Reuters)