Die Stunde der Komödianten: Heiße Luft, die unerträglich ist

Das Problem mit der Alpine-Pleite ist auch das: Politiker könnten auf die Idee kommen, das offensichtliche Missmanagement als Systemfehler zu interpretieren.

Jetzt ist die Stunde der Komödianten angebrochen. In der Krise, noch dazu in der Krise vor Wahlen, gewinnen jene Wahlen und öffentliche Anerkennung, die sich am besten inszenieren können. Auch wenn hinter dieser Inszenierung nur heiße Luft ist. Und heiße Luft gibt es dieser Tage mehr als überhaupt erträglich ist.

Unerträglich ist vor allem, wie sich Politiker nun rund um die Alpine-Pleite gerieren. Von großen Arbeitsstiftungen ist die Rede, sozialer Abfederung. Und wenn man Sozialminister Hundstorfer und Kollegen so reden hört, hat man den Eindruck, das gebe es nun alles extra nur für die armen Alpine-Bauarbeiter. Nein, das ist in unserem Vollkasko-Sozialsystem ohnehin längst alles enthalten. Deshalb zieht man uns mehr als 40 Prozent unseres Gehalts gleich wieder ab. Deshalb ist da die große Spanne zwischen brutto und netto. Da müssen die Minister nicht aufmarschieren an Tagen wie diesen und heiße Luft verteilen. Was den gekündigten Alpine-Mitarbeitern geboten wird, ist quasi State of the Art. Das passiert in jedem – Verzeihung – Pimperlunternehmen auch.

Die Gefahr einer Rieseninsolvenz wie bei der Alpine ist nämlich nicht, dass hierzulande das soziale Gefüge zusammenbricht. Um die meisten Bauarbeiter muss man sich – hoffentlich – keine Sorgen machen. Die haben einen anständigen Beruf gelernt und werden auch in Zukunft gebraucht werden. Denn die Alpine ist nicht untergegangen, weil sie keine Aufträge mehr hatte, sondern weil grobe Managementfehler passiert sind. Die Baustellen in Österreich werden ja nicht von heute auf morgen geschlossen – wie etwa in Spanien. Die Nachfrage nach dieser Bauleistung besteht weiterhin.

Die Gefahr ist vielmehr, dass Politiker nun auf die Idee kommen könnten, einen bedauerlichen Fall von Missmanagement als Systemfehler zu interpretieren, um ihre gesellschaftspolitischen Süppchen zu kochen. Es ist ein tragischer Zufall, dass die Alpine gerade an jenem Tag in die Pleite schlittert, an dem der ÖGB-Kongress stattfindet. Bei den Gewerkschaftern werden die 7500 drohenden Arbeitslosen fast schon mit freudiger Erregung aufgenommen. Ein weiteres Argument für Arbeitszeitverkürzung, mehr Arbeitnehmerrechte und längeren Urlaub.

Und für die Vermögensteuer obendrein. Schließlich werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Ein Blick nach Deutschland würde den Genossen an Tagen wie diesen sehr guttun. Das Land galt zur Jahrtausendwende als der kranke Mann Europas. Enorme Arbeitslosigkeit, große soziale Konflikte vor allem in den Ländern der ehemaligen DDR. Und was tat Gerhard Schröder, der beste Sozialdemokrat aller Zeiten? Er liberalisierte den Arbeitsmarkt. Zugegeben: Da waren ein paar deftige Einschnitte dabei. Aber als 2008 die Lehman-Brothers pleitegingen und die Industriestaaten in die Rezession schlitterten, war Deutschland fit.

Erst dieser Tage betonte der deutsche Arbeitsmarktexperte Ulrich Walwei, dass in Deutschland noch nie so viele Menschen so lange in ein und demselben Unternehmen beschäftigt waren. Kann denn das sein? Obwohl doch das soziale Klima immer kälter wird – auch an Tagen wie diesen?

Die Fakten sagen etwas anderes. Als die Krise kam, stellten Unternehmen – auch in Österreich – auf Kurzarbeit um, legten Arbeitszeitkonten an, reagierten überaus fortschrittlich. Die große Arbeitslosigkeit blieb dank dieser Flexibilisierung aus.

Das Gebot der Stunde – und das hat gar nichts mit dem Schicksal der Alpine zu tun – muss also sein: weniger Anspruchsdenken, mehr Realitätssinn. Wenn in einem Unternehmen viel Arbeit ist, muss es auch möglich sein, über einen längeren Zeitraum mehr zu arbeiten, ohne dass gleich mit dem Arbeitszeitgesetz und Überstundenregelungen gedroht wird. Umgekehrt kann dieser Fettpolster dann in schwierigen Zeiten abgebaut werden, ohne dass gleich Leute gekündigt werden müssen.

Flexible Arbeitszeit bietet allen Beteiligten – Unternehmern und Beschäftigten – mehr Sicherheit. Ein Blick in den Süden zeigt, wohin ein starrer und rigoroser Arbeitsmarkt führt.

All das sollte man bedenken in der Stunde des Komödiantentums.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2013)

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