Klangforum: Plädoyer für Neue Musik

Sven Hartberger
Klangforum: Plädoyer für Neue Musik(c) Sven Hartberger
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Das Klangforum dokumentiert seine ersten 25 Jahre – und kämpft um Platz und Aufmerksamkeit für Neue Musik. Zum Beispiel an der Staatsoper.

Intendant Sven Hartberger könnte sich zufrieden zurücklehnen. Das Klangforum Wien hat dieser Tage mit einem Gratiskonzert in der Zacherlfabrik sowie einem musikalisch vielfältig unterfütterten Sommerfest in der Diehlgasse seine Wiener Saison erfolgreich abgeschlossen, außerdem ist gerade die CD-Box „Vorwärts? Rückwärts?“ bei Kairos erschienen: Zu seinem 25-Jahr-Jubiläum hatte das Klangforum in einem wegen des Einstudierungsaufwandes „heroischen Akt“ (Hartberger) 25 neue Werke in Auftrag gegeben und 2009/10 uraufgeführt, von denen die meisten nun auf sechs CDs nachzuhören sind – fesselnde Musik von Georges Aperghis bis Hans Zender, von Beat Furrer bis Jorge E. López.

Videointerviews mit Cerha u. a.

Willkommene Draufgabe sind 18 Videointerviews auf zwei beigelegten DVDs, die der Kontrabassist Uli Fussenegger mit den vertretenen Komponisten geführt hat: Da räsoniert etwa Friedrich Cerha in seinem Wohnzimmer über den Widerspruch zwischen erträumten Klängen und dem, was realisiert werden kann, da kommen Olga Neuwirth, Salvatore Sciarrino, Georg Friedrich Haas u. a. ausführlich zu Wort.

Verzicht auf Abgeltung

„Heroisch“ mag die Box aber auch ob der Veröffentlichungsumstände genannt werden, die Einblick in die herrschenden tristen Produktionsverhältnisse bieten: Möglich wurde sie nur durch den Verzicht aller Beteiligten auf die Abgeltung ihrer Rechte, von den Interpreten über Rundfunkanstalten und Techniker bis hin zu den Verlagen – weshalb die Box auch nicht in den freien Handel gelangen darf, sondern nur bei den Konzerten des Klangforums zu kaufen ist. Kann also, wer sich für Neue Musik einsetzt, nicht einmal auf halbwegs faire Bezahlung hoffen?

Hartberger lehnt sich nicht zurück, lobt das Gesprächsklima mit Ministerin Schmied und Stadtrat Mailath-Pokorny, moniert jedoch erneut die mangelnde Präsenz zeitgenössischer Musik „in den großen Institutionen und der Kulturberichterstattung“ Österreichs: „Wir erleben es im dritten Jahr in Folge, dass an der Wiener Staatsoper kein einziges Werk auf dem Spielplan steht, das jünger als 80 Jahre ist.“ Die ganze Literatur „von John Adams bis Bernd Alois Zimmermann“ werde, so Hartberger, schlicht „unterschlagen“ – und im Interview mit einer „Qualitätszeitung“ (gemeint ist der „Standard“) werde Direktor Dominique Meyer mit der Aussage laufen gelassen, die Wiederaufnahme von Bergs „Wozzeck“ sei ein Beleg für die Pflege der zeitgenössischen Oper an seinem Haus, das außerdem bald eine Uraufführung herausbrächte. Nach Hartberger müssten jedoch zumindest zehn Werke der letzten 80 Jahre im Repertoire sein, um die Opernbesucher nicht von wesentlichen Hörerfahrungen auszuschließen: Diese zu machen sei schlicht unser aller Recht. wawe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)


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