Wahlkampf: Warnung vor einem neuen Schuldenpaket

Ökonom Bernhard Felderer
Ökonom Bernhard Felderer (c) Clemens Fabry
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Die Regierung sucht Geld für die Bauwirtschaft. Ökonom Bernhard Felderer warnt aber: Ein neues Konjunkturpaket würde statt Wachstum mehr Staatsschulden bringen.

Wien. Nachdem mit der Alpine knapp hundert Tage vor der Nationalratswahl die zweitgrößte Baufirma des Landes Insolvenz anmelden musste, will die Regierung nun ein Hilfspaket für die Baubranche schnüren. Die Suche nach dem Geld gestaltet sich allerdings schwierig. Denn angesichts der hohen Staatsschulden (231 Mrd. Euro, rund 74 Prozent des BIPs) hat sich die Koalition auf einen strengen Sparkurs verständigt. Eigentlich.

Während die ÖVP auf Rücklagen in Höhe von rund 100 Millionen Euro zurückgreifen will, plant die SPÖ zusätzliche Investitionen von 500 Millionen Euro pro Jahr. Der Gewerkschaftsbund fordert gar eine Milliarde Euro mehr für die Bauwirtschaft. Eine Idee, die auch der Arbeiterkammer gefällt: Man sei „wirklich gut beraten, in Beschäftigung zu investieren“, sagt AK-Ökonom Markus Marterbauer.

„Keine Wachstumsgarantie“

Doch die Wirksamkeit von staatlichen Konjunkturpaketen ist höchst umstritten. Mehr Wachstum durch zusätzliche Staatsausgaben sei in dieser Situation eine „Illusion“, erklärt der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, und warnt vor einem Schnellschuss im Wahlkampf. „Auch mit mehreren hundert Millionen Euro ist fraglich, ob eine Konjunkturbelebung gelingt“, so Felderer zur „Presse“. „Arbeit schaffen Investoren, nicht der Staat, indem er irgendwo Geld hinausschmeißt. Aber im Wahlkampf zählen eben keine rationalen Argumente“, so Felderer.

Dabei sehe es für die Konjunktur trotz Alpine-Pleite ohnehin bereits besser aus als zuvor: Aus den USA kommen gute Nachrichten, Europa scheint sich im Herbst zu erholen, und auch für Österreich wird ein Wachstum von ein bis zwei Prozent für 2014 prognostiziert. Und: „Hilfe für nur einen Sektor ist etwas, was man generell nicht machen sollte“, so Felderer. Während die Sinnhaftigkeit eines weiteren Konjunkturpaketes fraglich ist, sei eines klar: „Die Schulden und das Defizit würden steigen, weil wir das Geld auf dem Markt aufnehmen müssten.“ Mit den Reserven der Bundesimmobiliengesellschaft und der Ministerien käme man vielleicht auf 100 bis 200 Millionen Euro – nicht aber auf 500 Millionen oder gar eine Milliarde. „Heißt: Unsere Schulden steigen.“

Und das, obwohl immer noch unklar ist, wie viel Geld die Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria kosten werde. Wenn nach der Wahl die schlechten Assets in eine Bad Bank ausgelagert werden, müsse man mit „mehreren Milliarden Euro“ Belastung rechnen. Und weil diese Summe laut den Regeln der Eurostat direkt in den Schuldenstand gerechnet wird, sei es möglich, dass dieser mit einem Schlag um ein bis zwei Prozent des BIPs steigt, so Felderer.

ÖVP lehnt Faymann-Vorschlag ab

Die SPÖ hegt diese Bedenken anscheinend nicht. Beim Parteitag der Kärntner Landespartei am Samstag in Villach sprach sich Kanzler Werner Faymann für ein Extra-Hilfspaket aus. Zusätzlich zu den laufenden Konjunkturinvestitionen von jährlich 4,5 Milliarden Euro (für Verkehrsinfrastruktur, Schulbauten etc.), will die SPÖ der (Bau-)Wirtschaft in den Jahren 2014 bis 2016 weitere 500 Millionen Euro pro Jahr zukommen lassen. Das Geld soll aus Rücklagen und Erlösen der Mobilfunkfrequenzversteigerung kommen und vor allem in den Wohnbau, den Ausbau der Kinderbetreuung, den Bahnhofsbau, in Tunnelprojekte sowie in die Pflege fließen.

Die ÖVP bezweifelt jedoch, dass eine weitere halbe Milliarde pro Jahr ohne neue Schulden (bzw. neue Steuern) zu lukrieren sei, weshalb man die Pläne des Koalitionspartners ablehnt. Er sei für einen Wettbewerb mit der SPÖ zur Frage „Wer wirft jetzt mehr Geld der Steuerzahler hinaus?“ nicht zu haben, so Parteiobmann Michael Spindelegger am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.

Seine Pläne hat der Vizekanzler bereits am Samstag in einem „Presse“-Interview skizziert: Die ÖVP will auf Rücklagen – zum Beispiel auf jene der Bundesimmobiliengesellschaft – im Ausmaß von 100 Millionen Euro zurückgreifen und Schul- oder Kindergartenbauten vorziehen. Daneben sollte die Regierung früher als geplant in den Hochwasserschutz investieren. Dafür brauchte es allerdings „frisches Geld“, räumte Spindelegger ein.

Außerdem will die ÖVP Anreize schaffen, damit auch Private in die Baubranche investieren. Überlegt wird beispielsweise eine Förderung für die thermische Sanierung.

Erste Ergebnisse am Dienstag?

Heute, Montag, gehen die Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP weiter. Erste Ergebnisse will man bereits am Dienstag nach dem Ministerrat präsentieren. Trotz der unterschiedlichen Vorstellungen zeigte man sich am Sonntag in beiden Parteien zuversichtlich, dass ein Kompromiss gelingen werde. Spindelegger meinte im ORF: „Wir werden uns schon einigen, aber nicht auf 500 Millionen Euro.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2013)

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