Berlin, Den Haag und Wien wollen Gespräche bis Herbst de facto blockieren. Erdogan müsse beweisen, dass er es mit Grundrechten "ernst meint".
Zwischen der Türkei und Brüssel droht eine diplomatische Krise, denn die für Mittwoch geplante EU-Beitrittsrunde nach fast drei Jahren Stillstand in den Verhandlungen ist offenbar gescheitert. VP-Außenminister Michael Spindelegger sagte am Montag nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg, so wie es jetzt aussehe, werde es beim Treffen der EU-Europaminister am Dienstag keinen Kompromiss in dieser Frage geben. Und Spindelegger erklärte, er spreche auch für Deutschland und die Niederlande.
Berlins Außenminister schlug Diplomaten zufolge vor, dass die EU-Staaten der Eröffnung des neuen Verhandlungskapitels zu Regionalpolitik zwar schon jetzt zustimmen. Die nächste Beitrittsrunde sollte demnach aber erst nach einem Fortschrittsbericht der EU-Kommission im Herbst stattfinden.
"Unser Vorschlag ist, dass wir einen Bewährungszeitraum brauchen, in dem man sieht, dass die Türkei es ernst meint mit Grundrechten, und dann kann man eine solche Kapiteleröffnung vorsehen", sagte auch Spindelegger. Eine solche Bewährungsphase sollte bis zum Herbst dauern. Vorher mache eine Fortsetzung der Beitrittsgespräche "keinen Sinn", weil die Demonstrationen in der Türkei weitergehen. Ursprünglich hätte am Mittwoch das Kapitel Regionalpolitik eröffnet werden sollen.
Heftige Reaktion der Türkei erwartet
Diplomaten rechnen mit einer heftigen Reaktion der Türkei auf eine weitere De-Facto-Blockade der Beitrittsverhandlungen. Als Berlin in der Vorwoche erstmals ein Veto gegen die Eröffnung eines neuen Beitrittskapitels ankündigte, löste dies Drohungen der Türkei aus, sich von Europa abzuwenden. Ankara bereitet auch einen offiziellen Brief vor, mit dem es die Absage kommentieren möchte. Als erste Reaktion war der deutsche Botschafter in der Türkei einberufen worden.
Während Deutschland, die Niederlande und Österreich nach der Niederschlagung der türkischen Anti-Regierungs-Proteste nicht zur Tagesordnung übergehen wollen, gibt es andere EU-Regierungen, die (vergeblich) auf eine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen drängten. Luxemburgs Außenminister Asselborn etwa warnte, es sei ein Fehler, die Verhandlungen mit der Türkei nicht wiederzubeleben. Denn dann würden sich die Beziehungen zwischen dem Land und der EU weiter verhärten. Darunter hätte die Bevölkerung in der Türkei zu leiden.
(Red.)