EU-Verhandlungen mit Türkei liegen bis Herbst auf Eis

EU Verhandlungen Tuerkei
EU Verhandlungen Tuerkei (c) EPA (TOLGA BOZOGLU)
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Außenminister Spindelegger spricht von einem Bewährungszeitraum für die Türkei, bevor die Beitrittsgespräche fortgesetzt werden können. Ankara warnt im Gegenzug vor „anderen Optionen“.

Brüssel/Ankara/Ag./Wb. Der türkischen Regierung droht nach der gewaltsamen Niederschlagung der regierungskritischen Proteste eine weitere Verzögerung in den EU-Beitrittsverhandlungen. Bis zu den jährlichen Fortschrittsberichten der EU-Kommission im Herbst soll es keine konkrete Wiederaufnahme von Gesprächen geben. Das vereinbarten die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg. Wie es von Vertretern der deutschen Regierung hieß, könnten lediglich Vorbereitungen für das nächste Verhandlungskapitel getroffen werden.

Außenminister Michael Spindelegger sprach von einem Bewährungszeitraum. In diesem könne die EU beobachten, ob „mit Menschenrechten, Demonstrationsrechten und freier Meinungsäußerung so vorgegangen wird, wie wir in Europa das verstehen“. Es sei wichtig, dass die EU ihre „Wertegemeinschaft“ unter Beweis stelle. „Wir können doch nicht bei anderen Ländern wie Ägypten ständig unseren Finger in die Wunde legen, aber wenn es um ein Kandidatenland geht nicht.“ Zuvor hat der deutsche Außenminister Guido Westerwelle bei einer endgültigen Absage der Beitrittsverhandlungen noch gebremst. Um die angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei zu beruhigen, versicherte er, dass Berlin noch eine Lösung mit Ankara suchen werde.

Der Türkei droht aber auch eine internationale Isolation. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Einhaltung der Grundrechte in der Türkei eingemahnt. „Wir sehen es als selbstverständlich an, dass alle Nato-Mitgliedstaaten grundsätzlichen demokratischen Prinzipien gerecht werden“, sagte er am Rand des EU-Außenministertreffens. Das schließe die Erlaubnis friedlicher Demonstrationen und das Recht zur freien politischen Meinungsäußerung ein.

Drohungen aus Ankara

Die Ankündigung aus Berlin, den Neustart der Verhandlungen zu blockieren, hat Drohungen der Türkei ausgelöst, sich von Europa abzuwenden. Ankara bereitet auch einen offiziellen Brief vor, mit dem es die Absage kommentieren möchte. Der türkische Europaminister Egemen Bağis sagte der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Türkei auch „andere Optionen“ neben der EU habe.

Ungeachtet internationaler Kritik hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die Polizisten als Helden gelobt. „Unsere Polizei hat einen sehr wichtigen, sehr schwierigen Demokratietest erfolgreich bestanden“, sagte Erdoğan nach türkischen Medienberichten in der Polizeiakademie in Ankara.

Während sich Deutschland, die Niederlande und Österreich für eine Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen ausgesprochen hatten, gab es andere Regierungen, die auf eine Fortsetzung der Gespräche drängten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte, es sei ein Fehler, die Verhandlungen mit der Türkei nicht wiederzubeleben. Denn dann würden sich die Beziehungen zwischen dem Land und der EU weiter verhärten. Darunter hätte die Bevölkerung in der Türkei zu leiden. „Wir müssen weniger an die Regierenden denken als an das türkische Volk.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)

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