Wasserwende als Aufwind für Bürgerinitiativen?

Wasserwende Aufwind fuer Buergerinitiativen
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Die europäische Bürgerinitiative „Right2water“ verbucht Rückzieher der EU-Kommission für sich. Zurzeit laufen 16 Europäische Bürgerinitiativen.

Brüssel. Es war eine unerwartete Entscheidung, die sich die bisher erfolgreichste Europäische Bürgerinitiative „right2water“ öffentlichkeitswirksam auf die Fahnen heften kann: EU-Kommissar Michel Barnier kündigte vergangenen Freitag an, die europäische Wasserversorgung nun doch von der umstrittenen Konzessionsrichtlinie explizit auszunehmen.

Er nahm damit all jenen den Wind aus den Segeln, die in den vergangenen Monaten vor einer drohenden Privatisierung europäischen Wassers gewarnt hatten. „Right2water“, das sich in erster Linie für öffentlich organisierte Wasserversorgung starkmacht, verbucht den Erfolg nun allein für sich: „Barnier hat die Stimme von 1,6Millionen europäischen Bürgern verstanden“, erklären die Initiatoren stolz. Barnier selbst hatte am Freitag eingestanden, dass der Bürgerprotest gegen die geplante Richtlinie zur Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungen zu massiv geworden sei.

Die Kommission hat mit dem Rückzieher einer verpflichtenden Auseinandersetzung mit den Forderungen der Initiative vorgegriffen. „Right2water“ hat europaweit bereits deutlich mehr als eine Million Unterschriften aus allen 27 Mitgliedstaaten gesammelt. Sie hat also das erste Kriterium erfüllt, damit die Behörde auf die Forderungen offiziell reagieren muss. Danach kann sie der Initiative Folge leisten und ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren in der EU starten, sie muss das aber nicht tun. Zweites Kriterium für eine erfolgreiche Initiative ist, dass die Unterschriften aus mindestens sieben Ländern stammen – aus Österreich sind es in diesem Fall bisher 62.183. Großen Zuspruch findet „right2water“ etwa auch in Deutschland, wo es inzwischen fast 1,29 Millionen Unterschriften sind.

Drittens sind je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Mindestzahlen an Unterschriften zu erbringen – in Österreich liegt das Minimum bei 14.250Unterstützern, es wurde also bereits mehrfach übertroffen. Bisher wurde die Hürde in elf Mitgliedstaaten genommen. Noch bis 1.November können Interessenten die Initiative unterschreiben, die seit Mai des Vorjahres läuft.

Insgesamt 30 Bürgerinitiativen

Der große Erfolg von „right2water“ könnte nun auch anderen Bürgerinitiativen Aufwind verleihen – wenngleich die starke Unterstützung für die Initiative und schließlich der Rückzieher der Kommission in mehreren Faktoren begründet liegen. Die Ankündigung Barniers, in der gesamten EU einheitliche Regeln zur Vergabe von Konzessionen für die Wasserversorgung zu schaffen, löste eine europaweite Protestwelle aus, die sich auch einige EU-kritische Populisten für ihre Zwecke zunutze machten.

Auch wenn sich der „Sturm im Wasserglas“ mittlerweile gelegt hat – der Rückhalt für die Initiative ist im Vergleich zu allen 30 Europäischen Bürgerinitiativen, die seit dem Start dieses Instruments im Jahr 2012 eingereicht worden sind, auch dank der enormen medialen Präsenz des Themas auffallend stark. Die Initiative ist fast dreimal so erfolgreich wie „Einer von uns“, eine Aktion, die sich gegen Forschung an Embryos richtet. Auf Platz drei liegt „Stop Vivisection“, eine Initiative, die den Ausstieg aus der tierexperimentellen Forschung propagiert.

Grundlage Lissabon-Vertrag

Zurzeit laufen 16 Europäische Bürgerinitiativen, die EU-weit unterschrieben werden können. Acht Initiativen hat die Europäische Kommission zurückgewiesen, weil ihre Inhalte nicht in der Kompetenz der EU liegen. Dazu zählen eine Initiative gegen den Stierkampf oder eine Initiative für die Europa-Hymne in der Kunstsprache Esperanto.

Vier weitere Initiativen werden derzeit geprüft. Grundlage für das Instrument ist der EU-Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009. Die Mitgliedstaaten wollten damit die Mitbestimmung des Volkes in Europa steigern.

Auf einen Blick

Seit Mai 2012 läuft die Europäische Bürgerinitiative „right2water“. Sie hat bereits 1,66 Millionen Unterstützer in allen 27 EU-Ländern, 62.200 davon in Österreich. Im Herbst hätte die EU-Kommission die Initiative für eine öffentliche Wasserversorgung fix behandeln müssen. EU-Kommissar Barnier reagierte frühzeitig, indem er erklärte, das Thema Wasser von der Konzessionsrichtlinie auszunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)

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