Inseratenaffäre: Ministerin Karl im Faymann-Dilemma

Ministerin Karl Faymann Dilemma
Ministerin Karl Faymann Dilemma(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die Ermittlungen gegen den Kanzler sind abgeschlossen, ein Ergebnis wird ausgerechnet im Wahlkampffinale erwartet. Damit steigt der Druck auf Justizministerin Karl.

Wien. Wird das Strafverfahren eingestellt? Braucht es erneut weiterführende Ermittlungen? Oder wird doch Anklage erhoben, sodass sich erstmals ein amtierender Bundeskanzler wegen Untreue vor Gericht verantworten muss?

Das sind die Fragen, die sich der Staatsanwaltschaft Wien derzeit in der sogenannten Inseratenaffäre rund um Werner Faymann und Josef Ostermayer stellen. Denn die Ermittlungen gegen den Kanzler und den Medienstaatssekretär sind seit Kurzem abgeschlossen.

Ob sich der Untreueverdacht gegen die beiden SPÖ-Politiker erhärtet hat, wollte oder konnte die Staatsanwaltschaft am Montag nicht sagen. Im Moment werde das vorliegende Aktenmaterial für den Vorhabensbericht gesichtet. Dieser wandert dann zur Oberstaatsanwaltschaft und von dort ins Justizministerium, das sich dem „Vorhaben“ der Anklagebehörde anschließen kann. Oder auch nicht. Wie lange dieses Prozedere dauern werde, lasse sich noch nicht abschätzen, wurde der „Presse“ erklärt. Wahrscheinlich ist, dass noch vor der Nationalratswahl am 29.September ein Ergebnis vorliegt.

Die Sache – und vor allem der zeitliche Hintergrund – stürzt Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) in ein Dilemma. Denn die Letztentscheidung über das Verfahren liegt bei ihr. Sollte Karl also vor der Wahl grünes Licht für neue Ermittlungen oder gar eine Anklage gegen den Regierungschef geben, hätte das – abgesehen von der strafrechtlichen Komponente – eine Schlammschlacht zwischen den beiden Regierungsparteien zur Folge. Wird das Verfahren hingegen eingestellt, könnte das Faymann Auftrieb verleihen und damit der ÖVP im Wahlkampffinale schaden. Oder zumindest der SPÖ nützen.

Karl ist sich dieser heiklen Situation natürlich bewusst. Ihr Büro war gestern um Kalmierung bemüht: Die Ministerin werde diesen Fall wie jeden anderen auch behandeln – „nach juristischen, nicht nach politischen Kriterien“.

Einstellung wahrscheinlich

In Justizkreisen geht man jedenfalls davon aus, dass das Verfahren gegen Faymann und Ostermayer bzw. gegen frühere Chefs der ÖBB und der Asfinag eingestellt wird.

Schon einmal, nämlich im Sommer des Vorjahres, hat die Justizministerin die Weisung erteilt, die Staatsanwaltschaft Wien (Sachbearbeiterin ist Ursula Kropiunig) müsse in der Affäre um Zeitungsinserate, die Faymann in seiner Zeit als Verkehrsminister bei den Bundesbahnen und der Autobahngesellschaft Asfinag bestellt haben soll, ihre Ermittlungen ausweiten. Wäre es nur nach der Staatsanwaltschaft gegangen, wäre das Verfahren schon damals zu den Akten gelegt worden. Es waren unter anderem Enthüllungen der „Presse“, die zur Weiterführung der Ermittlungen geführt haben: Die Staatsanwaltschaft hatte sich bei ihren Einvernahmen zwar ausgiebig für die seinerzeitige ÖBB-Spitze, aber offenbar deutlich weniger für jene der Asfinag interessiert. Dies galt es nun auf Geheiß „von oben“ nachzuholen.

Aus den Reihen der SPÖ wurden später Angriffe gegen die Justizministerin vorgetragen. Karl wurde vorgeworfen, eine politische Weisung erteilt zu haben (dies wäre übrigens Amtsmissbrauch). Die Ministerin wies derlei Attacken erwartungsgemäß zurück. Faymann ließ versöhnlich wissen, er vertraue der Justiz und „will Karl glauben“. Nach wahrer Überzeugung klang dies freilich nicht.

Debatte um Weisungsrecht

Das ministerielle Weisungsrecht, also die Möglichkeit eines politisch bestellten Organs, auf die (unabhängige) Justiz Einfluss zu nehmen, steht nun also erneut zur Diskussion. Wie immer die Inseratenaffäre ausgeht: Dass Karl auf dieses Weisungsrecht noch vor der Wahl verzichtet (und zum Beispiel ein vom Parlament gewählter Bundesstaatsanwalt eingesetzt wird), darf wohl ausgeschlossen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)

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In der "Inseratenaffäre" soll die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit beendet haben. Ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird, ist noch unklar.

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