Vor EU-Beitritt: Geheimdienstmorde wühlen Zagreb auf

Geheimdienstmorde
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Berlin will nach dem EU-Beitritt Kroatiens die Auslieferung des Ex-Generals Perkovic beantragen. Zagrebs Institutionen streiten über den Fall.

Nur wenige Tage vor dem EU-Beitritt Kroatiens beschäftigen Geheimdienstmorde die kroatische Politik und Justiz. Nachdem deutsche Medien berichtet hatten, dass Deutschland nach dem 1. Juli die Auslieferung des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstgenerals Josip Perkovic verlangen wird, ist Feuer am Dach. Die kroatische Justiz bescheinigte am Montag, mit den deutschen Behörden voll zu kooperien.

Perkovic (68) wird verdächtigt, Morde an Regimekritikern, die aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland geflüchtet waren, in Auftrag gegeben zu haben. So soll der ehemalige Chef des Geheimdienstes SDS, dem kroatische Zweig des Geheimdienstapparats UDBA, laut dem deutschen Magazin "Focus" staatliche Killer auf den Dissidenten Josip Djurekovic angesetzt haben, der 1983 nahe München mit Schüssen und Axthieben getötet wurde. Laut dem Oberlandesgericht München wurden in den 1970-er und 80-er Jahren 22 kroatischen Dissidenten vom jugoslawischen Geheimdienst in Deutschland ermordet.

Wird Perkovic ausgeliefert?

In Kroatien schrillten nach der Meldung die Alarmglocken. Premier Zoran Milanovic verlangte von der Staatsanwaltschaft eine Erklärung, was in den vergangenen zehn Jahren in dem Fall unternommen und warum nicht in Kroatien Anklage gegen Perkovic erhoben worden sei.

Fast zeitgleich wollte die Regierung eine Gesetzesänderung zur rechtlichen Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten beschließen. Demnach sollen Auslieferungen nach dem europäischen Haftbefehl nur für Verbrechen, die nach 2002 verübt wurden, gelten. Somit könnte Perkovic nicht ausgeliefert werden.

Premier Milanovic sagte, dass das keine „Lex Perkovic" sei, wie es manche Medien genannt hatten, sondern dass sich die zeitliche Beschränkung nach dem Jahr der Einführung des europäischen Haftbefehls (2002) richte. Tomislav Karamarko, Oppositionsführer und Chef der langjährigen Ex-Regierungspartei HDZ, warf der Mitte-Links-Regierung vor, Titos Geheimdienstler zu schützen.

Karamarko, ehemaliger Innenminister und davor Chef des kroatischen Gegeninformationsdienstes (POA), ist im Fall Perkovic jedoch selbst in der Bredouille. Denn laut der kroatischen Staatsanwaltschaft, die auf Milanovics Vorwurf reagierte, war Karamarko als SOA-Chef in dem Team aus Ermittlern, Geheimdienstlern und Polizisten, die im Jahr 2006 Beweise für eine mögliche Anklage Perkovics sammeln sollten. Damals wurde der Fall Mangels an Beweisen geschlossen, zu einer Anklage kam es nicht.

Perkovic galt als enger Mitarbeiter des ehemaligen kroatischen Präsidenten und HDZ-Gründers Franjo Tudjman sowie seines Verteidigungsministers Gojko Susak. Bereits 1997 und zwei Jahre darauf, ermittelten kroatische Behörden gegen Perkovic, ebenfalls ergebnislos. Perkovic wurde damals zwei Mal verhört. Die deutschen Behörden begannen 2005 mit Ermittlungen und arbeiteten im Rahmen der internationalen Rechtshilfe mit den kroatischen Behörden zusammen. Nach der aktuellen Interpretation der kroatischen Staatsanwaltschaft könnte der Fall in Kroatien bereits verjährt sein.

(APA)

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