Smart Home

„Das System soll ohne Fehlalarme laufen“

Safe, sparsam. Künftig im Fokus der Smart Homes: Sicherheit, Energieeffizienz.
Safe, sparsam. Künftig im Fokus der Smart Homes: Sicherheit, Energieeffizienz.Getty Images
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Smart Living ist in aller Munde, aber die Möglichkeiten sind längst noch nicht alle ausgereift - und nicht alles ist bedienerfreundlich.

Der Kühlschrank, endlich, der selbstständig Lebensmittel nachbestellt? Friedrich Praus winkt ab. Spielereien wie diese sind es nicht, die das Smart Home wirklich zu einem effizienten und praktikablen Gegenwarts- und Zukunftsmodell machen, konstatiert der Leiter der Studiengänge „Informations- und Kommunikationssysteme“ sowie „Smart Homes und Assistive Technologien“ an der FH Technikum Wien. Technologisch ist freilich bereits vieles möglich, aktuell sei von Features wie diesen allerdings kein spezieller Mehrwert zu erwarten. Vielmehr geht es gegenwärtig und zukünftig vor allem um Themen wie Energieeffizienz und Komfort in täglichen Abläufen, aber auch Sicherheit im Wohnalltag in Form von Active and Assistant Living – gerade etwa für Menschen im höheren Alter oder mit besonderen Bedürfnissen.

„In ähnlicher Weise wie im Automobilbau ist auch im Bereich des häuslichen Wohnens ein zunehmender Trend zur Automatisierung von Funktionalitäten und zur internen und externen Vernetzung festzustellen. Entsprechende Bemühungen gibt es aus wissenschaftlicher Sicht bereits seit fast 30 Jahren“, heißt es im Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT im deutschen Euskirchen dazu. Die Marschrichtung ist klar: „Technologien im Bereich Smart Home adressieren die zunehmenden Herausforderungen, die unsere alternde Gesellschaft vor dem Hintergrund der Notwendigkeit nachhaltiger und sparsamer Energieversorgung an das Wohnen stellt. Dazu kommen neue Anforderungen an Komfort und Wohlbefinden sowie das Bedürfnis, aus dem beruflichen Umfeld bekannte Funktionalitäten auch zuhause nutzbar zu machen und verschiedene Lebensbereiche zu vernetzen.“

Anpassungen und Adaptionen

Was im Zweckbau vielfach schon Standard ist und etwa zur Energieoptimierung zum Einsatz kommt, hat seinen ersten Boom im privaten Bereich mit den Möglichkeiten des Smartphones, der Sprachsteuerung und der Steuerung via Tablet erlebt, so Praus. Vorreiter waren die Big Player von Amazon bis Google, die digitale Assistenten in Form von smarten Lautsprechern auf den Markt gebracht hatten. Das Lieblingsgetränk von der Kaffeemaschine auf die bevorzugte Weise zubereiten lassen, Waschmaschinen von unterwegs bedienen, Türen per App oder Fingerprint öffnen, die Heizung von beliebigen Orten außerhalb der Wohnung einschalten – auch all das ist möglich.

Vernetzt. Damit Systeme gut zusammenarbeiten, braucht es gemeinsame Standards.
Vernetzt. Damit Systeme gut zusammenarbeiten, braucht es gemeinsame Standards.Getty Images

„Mit der Installation und Inbetriebnahme eines Smart Homes enden die Herausforderungen aber keineswegs. Auch im laufenden Betrieb sind immer wieder Anpassungen und Adaptionen nötig, welche die Geduld eines Nutzers auf die Probe stellen. Beispielsweise, wenn in Frühjahr und Herbst der Wechsel von Normal- auf Sommerzeit und umgekehrt erfolgt. Viele Systeme werden damit problemlos fertig, andere scheitern daran“, schreibt Thomas N.C. Mach im Buch „Smart Home“, das der Verein für Konsumenteninformation herausgegeben hat.

Arbeiten im Hintergrund

„Ein Smart Home ist für mich dann smart, wenn die Arbeiten im Hintergrund laufen und dem Benutzer im Wesentlichen nichts abverlangen“, definiert Praus, „das System sollte ohne Fehlalarme und das permanente Einspielen von Updates funktionieren. Gerade auch Sicherheitsupdates sollten automatisch passieren. Ein Bewegungsmelder, der nicht entsprechend reagiert oder überreagiert, ist nicht smart. Auch die Temperaturregelung in der Übergangszeit ist nicht so trivial einzustellen.“ Großes Thema ist zudem die Datensicherheit. Im Sachen IT-Security gibt es für Endkunden Checklisten, „ein gutes Smart Home bietet auch dazu Unterstützung.“ Wie viel eigenes Wissen muss man als Nutzer eines Smart Homes mitbringen? „Waren im vergangenen Jahrzehnt noch Programmier-Kenntnisse vonnöten, um das eigene Heim mit (begrenzter) Intelligenz zu versehen, beherrschen heute Plug-&Play-Lösungen das Segment, die durch ihre einfache Nutzung auch Anwender finden, die keine Codezeilen schreiben wollen“, heißt es im Buch „Smart Home“.

»Ein Smart Home ist für mich dann smart, wenn die Arbeiten im Hintergrund laufen und dem Benutzer im Wesentlichen nichts abverlangen.«

Friedrich Praus

Studiengangsleiter FH Technikum Wien

„Bereits in der Planungsphase ist man in Sachen Usability gefordert. Nicht bei jedem System kann man Einstellungen direkt vornehmen, sodass man teilweise schon eine gewisse IT-Affinität mitbringen sollte“, so Praus, der auf die Kompetenz eines Systemintegrators verweist. Vor dem Hintergrund jahrelanger Forschung, aber auch persönlicher Erfahrung lässt er keinen Zweifel daran, dass es Experten für die Einstellung des Systems braucht. Ein Integrator koordiniert gewerkeübergreifend eine Lösung etwa für Elektrik, Heizung und Klimaanlage. Hierzulande ist diese Position noch nicht so eigenständig wie etwa in Deutschland oder Großbritannien etabliert und wird häufig vom Elektriker übernommen.

Nachrüsten und vorplanen

Ob in Sachen Smart Home nachgerüstet oder im Neubau alles von Beginn an – etwa Verkabelungsmöglichkeiten – mitgedacht wird, das sind technologisch unterschiedliche Lösungen, betont Praus. Nachrüstung findet oft im batteriebetriebenen Bereich statt und kann teilweise selbst installiert werden. Allerdings sei Weitblick gefragt, damit die begrenzte Batterielebensdauer in vielen neuen Gerätschaften nicht wiederkehrend für umfangreichen Handlungsbedarf sorge. Und: „Nur, weil man etwas recht einfach automatisieren kann, heißt es nicht, dass es die nächsten Jahre auch zuverlässig läuft“. Auf dem Markt gibt es auf der einen Seite verschiedene Systeme, hinter denen einzelne Hersteller stehen, und auf der anderen Seite solche, die auf einem offenen Standard basieren. Zu letzteren rät der Experte, gerade weil es um Langfristigkeit geht. KNX ist ein so ein offener, herstellerunabhängiger Standard. Der Verein KNX Austria listet auf seiner Website Ansprechpartner in Wohnortnähe auf. 2015 gab es übrigens mehr als eine Million KNX-venetzte Gebäude in Europa, seither hat sich viel getan.

Ein gutes Smart Home, das Faktoren wie Beleuchtung, Beschattung, Heizung, Lüftung und Kühlung gekonnt integriert, ist zwar teurer in der Anschaffung, spart aber über die Jahre Kosten und bringt Annehmlichkeiten, so die Experten. Praus nutzt im Privaten beispielsweise einen Zentral-Aus-Schalter in Form eines Tasters bei der Tür – damit gehen gleichzeitig Licht, Fernseher und Musikanlage aus. Darüber hinaus steuert er das Dimmen des Lichts, die Bedienung der Jalousien und des Radios smart. „Am Anfang habe ich die Sprachsteuerung selbst milde belächelt, allerdings bringt das wirklich Komfort. Ich kann direkt am Esstisch oder beim Kochen je nach Bedarf ein Beleuchtungsszenario aufrufen.“

Eine Sache des Designs

Neben Komfort wird nicht zuletzt auch der Designaspekt ins Treffen geführt: „Aus der Perspektive der Usability und als Designer bemerke ich immer wieder, dass es hinsichtlich der Resilienz von Systemen Sinn macht, immer auch eine Low-Tech-Variante zu berücksichtigen“, sagt Florian Sammer, der an der New Design University in St. Pölten eine Professur für Innenarchitektur und visuelle Kommunikation innehat. „Ich finde auch das Verhältnis von Technik und Design interessant. Technik hat sich ästhetisch emanzipiert, wird auch als Statussymbol sichtbar gemacht und nicht mehr wie früher in Fernsehwohnzimmerschränken oder Musikmöbeln versteckt.“

Info

Ein Smart-Home-System besteht aus Aktuatoren (Endgeräten). Dazu kommen Sensoren, die etwa Raumtemperatur oder die Helligkeit messen oder feststellen, ob Fenster und Türen geschlossen sind. Anhand von Eingabegeräten (Touchscreen, Tablet-PCs, Smartphones) können Funktionalitäten programmiert werden. Die Integration und Vernetzung der technischen Einzellösungen steht im Vordergrund (Home Area Network). Im Idealfall sind alle beteiligten Geräte in einer intelligenten Steuerung miteinander verbunden. Zentrale Basiseinheit dafür ist ein Gateway. Mit If-This-Than-That-Szenarieen (IFTTT) lassen sich Home-Entertainment-Systeme mit dem Smart Home verknüpfen.

In Zukunft wird der Fokus noch stärker auf Sicherheit und Energieeffizienz liegen. Das meint, dass beispielsweise die Waschmaschine angeht, wenn die Energie dafür vorhanden ist, der Herd sich abschaltet, wenn man das Haus verlässt oder ein Alarm ertönt, wenn die Kühlschranktür offen gelassen wurde. Bis hin zur Sturzerkennung in den eigenen vier Wänden gibt es viele Aspekte. Im Fraunhofer Institut verweist man auch auf Fenster-Kontakte, die beim Öffnen automatisch die Heizung abschalten oder Keycards anstelle von Türschlüsseln zur Abschaltung aller nicht benötigten elektrischen Geräte. Dafür muss auch die Vernetzung der Geräte zunehmen. Allerdings fehlt es noch vielfach an gemeinsamen Standards für eine systemübergreifende Interoperabilität.

Hightech im Bienenstock

Übrigens: Auch im Tierreich gibt es zu Forschungszwecken bereits smarte Lösungen von Menschenhand. Das Team des Artificial Life Lab der Universität Graz hat in Kooperation mit der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne eine Hightech-Wabe entwickelt, die Honigbienen in der kalten Jahreszeit überwachen und die Wärmezufuhr im Stock regulieren kann. Bis zu einem Drittel der Bienenvölker stirbt nämlich weltweit über den Winter, oft wegen zu niedriger Temperaturen. Eine Technik wie diese könnte darin unterstützen, so das Ziel, dem weltweiten Artensterben entgegenzuwirken. Die smarte Wabe ist mit 64 hochpräzisen Temperatursensoren und zehn Heizfeldern ausgestattet und regelt die Wärme autonom.


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