Einbußen für Istanbul: Tränengas vertreibt Touristen

Einbußen für Istanbul: Tränengas vertreibt Touristen
Einbußen für Istanbul: Tränengas vertreibt Touristen(c) REUTERS (MARKO DJURICA)
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In den Hotels rund um Istanbuls umkämpften Taksim-Platz liegen die Stornierungsraten bei 30 Prozent. Die Zahl der Urlauber geht zurück, doch türkische Tourismusmanager hoffen, dass sich die Brache bald erholt.

Istanbul. Selten war der Große Basar in der türkischen Metropole Istanbul in einer Sommersaison so leer wie jetzt. Wo sich sonst Besuchermassen durch die Gänge des überdachten Marktlabyrinths schieben, herrscht in diesen Tagen eine merkwürdige Ruhe. Die regierungsfeindlichen Proteste und die Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei, die in den vergangenen Wochen das Bild der Türkei in der ganzen Welt bestimmten, spielten sich zwar kilometerweit vom Basar und der altehrwürdigen Altstadt entfernt rund um den Taksim-Platz ab. Aber die Ereignisse haben dem Tourismus in der ganzen Türkei einen Rückschlag beschert.

Bei bis zu 30 Prozent liegen die Stornierungsraten in Istanbuler Hotels rund um den Taksim. Wer will schon sein Quartier dort haben, wo Tränengasschwaden durch die Straßen zogen? Wie Griechenland und Ägypten bekommt die Türkei derzeit zu spüren, dass das Vertrauen der Urlauber ein hochsensibles Gut ist.

Mindestens zwei Kreuzfahrtschiffe, die wegen ihrer zahlungskräftigen Kundschaft bei Istanbuler Händlern besonders beliebt sind, haben ihre Abstecher in die Bosporus-Metropole abgesagt. Auch der Konferenztourismus leidet. Wenn nicht bald Ruhe einkehre, werde Istanbul die Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2020 vergessen können, sagt Oberbürgermeister Kadir Topbaş.

Die Branche hat viel Erfahrung damit, die Folgen externer Ereignisse auf den Fremdenverkehr zu verkraften: 1999 etwa ließen der Kurdenkonflikt und ein schweres Erdbeben die Besucherzahlen um 20 Prozent einbrechen. Seitdem hat sich die Zahl der Türkei-Touristen von 7,4 Millionen auf fast 32 Millionen mehr als vervierfacht.

Klage über internationale Medien

Trotz der Unruhen erwartet Başaran Ulusoy, Vorsitzender des türkischen Reisebüroverbandes (Türsab), für das laufende Jahr eine Steigerung auf 33 Millionen Besucher. Zwar gebe es eine „Verlangsamung“ bei den Buchungen, sagte Ulusoy, aber: „Eine Episode von zehn Tagen haut uns nicht um.“

Einige Tourismusmanager beklagen sich – so wie die Regierung – über die vielen Gewaltszenen, die nach den Straßenprotesten in internationalen Medien verbreitet wurden. Andere appellieren an die Mitglieder der Protestbewegung, sich von gewaltbereiten Demonstranten fernzuhalten, um dem Fremdenverkehr nicht zu schaden.

„Abenteuerurlaub“ auf Taksim

Bei einer Reise nach Europa versuchte der Türsab-Chef Ulusoy zu erklären, dass die Türkei nach wie vor ein sicheres Ferienland sei.

Einige sehen aber gerade in den Unruhen eine Chance. Abenteuerlustige Touristen spazierten bereits zum Taksim, um vor ausgebrannten Autos ihre Erinnerungsfotos zu schießen. Nach dem Sturz Hosni Mubaraks in Ägypten sei ja auch der Tahrir-Platz in Kairo zur Touristenattraktion geworden, sagte Cem Polatoğlu vom Verband der Reiseveranstalter. In Istanbul gibt es nach seinen Worten bereits erste Reiseunternehmen, die Besuchern eine neue Attraktion anbieten: einen Ausflug zur Gegend um den umkämpften Gezi-Park.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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